Politik Schwarz-Rot einigt sich auf Integrationsgesetz
Beim Gipfeltreffen der Koalition blieben andere Themen liegen.
Berlin. Nach dem nächtlichen Verhandlungsmarathon sah man gestern im Kanzleramt nur zufriedene Gesichter. "Ich glaube, dass wir Wesentliches erreicht haben", lobte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Resultate des Koalitionsausschusses. "Das war ein guter Abend", meinte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer sprach von einem "langen und anstrengenden" Treffen "mit gutem Ergebnis". Bis zur Sommerpause habe man aber noch "gigantisch viel zu tun", räumte Seehofer ein. Das ist wohl wahr.
Denn vieles, was die Koalitionäre auf der Tagesordnung hatten, wurde in den sieben Beratungsstunden noch nicht entschieden. Es gab keine Beschlüsse zur Rente, weil man noch mit Arbeitgebern und Gewerkschaften reden will; bei der Förderung von Elektroautos sollen in diesem Monat Gespräche mit der Automobilindustrie geführt werden, und auch beim Großkonflikt Erbschaftssteuer gebe es noch "Gesprächsbedarf", betonte Seehofer. Grünes Licht wurde hingegen für den Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) über strengere Regeln bei Werkverträgen und Leiharbeit gegeben. Nahles darf ihn jetzt in die Ressortabstimmung geben, da sind Änderungen immer wahrscheinlich. Die Zufriedenheit der Koalitionäre speiste sich vor allem daraus, dass man sich auf Eckpunkte für ein Integrationsgesetz und ein Anti-Terror-Paket einigen konnte. Es soll nach einer Klausur der Bundesregierung in Meseberg am 24. Mai auf den Weg gebracht werden.
Konkret ist geplant:
Arbeitsmarkt. Die Koalition will 100.000 zusätzliche, vom Bund geförderte "Arbeitsgelegenheiten" (Ein-Euro-Jobs) für Flüchtlinge schaffen. Ziel ist eine Heranführung von Flüchtlingen an den Arbeitsmarkt sowie eine sinnvolle Betätigung während des Asylverfahrens. Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten sind davon ausgeschlossen.
Ausbildung und Job. Künftig erhält ein Flüchtling eine Duldung während der gesamten Zeit seiner Ausbildung. Wer abbricht, dessen Duldung erlischt. Nach erfolgreichen Abschluss bekommt er weitere sechs Monate Zeit, um sich einen Job zu suchen. Für einen Zeitraum von drei Jahren soll überdies bei Asylbewerbern und Geduldeten auf die Vorrangprüfung verzichtet werden, wonach zunächst einem deutschen oder europäischen Staatsbürger der Job angeboten werden muss. Auch Leiharbeit ist dann möglich.
Integrationskurse. In dem Papier heißt es, bisher seien Integrationskurse nicht verpflichtend, wenn eine Verständigung bereits mit einfachen Deutschkenntnissen möglich ist. Das reiche aber nicht aus. Auch in diesem Fall soll es eine Verpflichtung zu Integrationskursen geben. Zugleich will die Koalition die Wartezeit auf einen Kurs von bisher drei Monaten auf sechs Wochen verkürzen, stärker Werte vermitteln lassen und die Höchstteilnehmerzahl von 20 auf 25 pro Kurs erhöhen. Strafen. Wer Leistungen bezieht, wird zur Mitarbeit bei angebotenen Integrationsmaßnahmen verpflichtet. Ablehnung oder Abbruch ohne wichtigen Grund führen zu Leistungseinschränkungen. Bei Straffälligkeit wird das Aufenthaltsrecht widerrufen.
Wohnsitz. Damit keine sozialen Brennpunkte oder Ghettos entstehen, sollen Schutzberechtigte besser verteilt werden. "Eine Verletzung der Wohnsitzzuweisung führt für die Betroffenen zu spürbaren Konsequenzen."
Im Kampf gegen den Terror sieht der Koalitionsbeschluss vor:
Ausstattung. Die Sicherheitsbehörden sollen weiterhin mehr Personal, Geld und Befugnisse erhalten. Konkrete Zahlen werden aber nicht genannt. Geheimdienste/Polizei. Der Verfassungsschutz und der BND sollen mit europäischen Diensten, denen der Nato-Staaten und mit Israel verstärkt Daten austauschen dürfen. Das aber klar definiert und mit begrenztem Anwendungsbereich. Auch soll stärker auf Telekommunikationsdaten zugegriffen werden dürfen, und Telekom-Anbieter und Händler sollen von Nutzern von Prepaid-Handys künftig einen Pass mit vollständigen Adressdaten verlangen. Um die Schleuserkriminalität zu bekämpfen, soll die Bundespolizei verdeckte Ermittler einsetzen dürfen.
Hasspropaganda. Die Koalition will, dass die Internet-Branche mit einer freiwilligen Selbstverpflichtung stärker gegen Terror-Propaganda in ihren Netzwerken vorgeht. Geldwäsche. Die Koalition verweist auf einen bereits auf den Weg gebrachten Gesetzentwurf gegen Geldwäsche. Offenbar wegen der Enthüllungen durch die "Panama Papers" soll jetzt auch "Fehlverhalten von Banken und Unternehmen schärfer sanktioniert werden".