Sozialkassen schwimmen im Geld - Reserven auf Rekordhöhe
Berlin/Wiesbaden (dpa) - Die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt hat den Sozialkassen in Deutschland im ersten Halbjahr 2012 ein sattes Plus beschert. Der Überschuss betrug allein im ersten Halbjahr 4,9 Milliarden Euro.
Er übertraf damit den Vorjahresstand noch einmal um 800 Millionen Euro.
Höher sei das Plus zuletzt 2006 gewesen, allerdings nur aufgrund eines rechnerischen Sondereffekts, sagte Peter Hatzmann vom Statistischen Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden.
Zu den wichtigsten Zweigen der Sozialversicherung zählen die gesetzliche Kranken- und Unfallversicherung, die Renten- und Pflegeversicherung sowie die Arbeitslosenversicherung.
In der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) steuern die Reserven auf den Rekordstand von weit über 20 Milliarden Euro zu. Selbst ein deutliches Ausgabenplus im kommenden Jahr wird die Rücklagen nicht schrumpfen lassen, geht aus der am Donnerstag veröffentlichten offiziellen Schätzung hervor. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) startete deshalb einen neuen Vorstoß zur Abschaffung der Praxisgebühr.
Zum Jahresende erwartet die Rentenversicherung einen Überschuss von 4,4 Milliarden Euro. Die Rücklage dürfte dann auf 28,8 Milliarden Euro steigen, knapp das 1,7-fache einer Monatsausgabe. Laut Gesetz muss der Beitragssatz gesenkt werden, wenn die Reserve das 1,5-fache einer Monatsausgabe übersteigt. Die Bundesregierung will deshalb den Beitragssatz von derzeit 19,6 auf voraussichtlich 19,0 Prozent senken. Dies entlastet die Beitragszahler um etwa 5,4 Milliarden Euro im Jahr. Opposition und Gewerkschaften wollen das Geld für härtere Zeiten lieber ansparen.
Die Reserven der GKV insgesamt setzen sich aus den über Jahre aufgelaufenen Rücklagen des Gesundheitsfonds und der einzelnen Kassen zusammen. Für den Fonds, die Geldsammelstelle der Kassen, rechnen die Schätzer des Bundesversicherungsamts, des Gesundheitsministeriums und der Krankenkassen in diesem Jahr mit einem Überschuss von 3,2 Milliarden Euro, im kommenden Jahr mit 1,6 Milliarden Euro. Unterm Strich dürften sich im Fonds bis Ende 2013 mehr als 14 Milliarden Euro an Rücklagen angesammelt haben.
Bahr dringt ebenso wie weitere FDP-Politiker gegen den Widerstand der Union nun massiv auf das Aus für die Praxisgebühr. Die Überschüsse hätten ein Maß angenommen, das einen Verzicht auf die unsinnige Gebühr rechtfertige, sagte er in München. „Wir können uns das leisten.“ Ein Verzicht auf die 10-Euro-Gebühr pro Quartal würde zwei Milliarden Euro kosten. Die FDP werde das erneut zum Thema im Koalitionsausschuss machen. Eine Senkung der Krankenkassenbeiträge lehnte Bahr ab. Derzeit beträgt der Satz 15,5 Prozent.
Mehrere Krankenkassen wollen den Versicherten die Praxisgebühr zurückzahlen oder Prämien ausschütten. So müssten die Mitglieder der IKK gesund plus ab 1. Januar 2013 beim Arzt keine Praxisgebühr mehr zahlen, wie die Kasse in Magdeburg mitteilte. Die KKH-Allianz will die Gebühr unter der Bedingungen zurückzahlen. Die Techniker Krankenkasse hatte eine Prämienausschüttung angekündigt.
Die Bundesagentur für Arbeit konnte ihren Überschuss im Vergleich der beiden Halbjahre um 600 Millionen Euro auf 1,8 Milliarden Euro steigern - trotz gesunkener Einnahmen. Etwa 100 Millionen Euro hatte die Pflegeversicherung unterm Strich in der Kasse. Im ersten Halbjahr 2011 waren Einnahmen und Ausgaben dagegen etwa gleich hoch.