Nahles optimistisch SPD-Spitze startet Werbetour für Koalition
Hamburg (dpa) - Die SPD-Spitze hat ihre Werbeoffensive an der Parteibasis für ein Ja zu einer neuen großen Koalition begonnen. Bei der ersten Mitgliederkonferenz warben die designierte SPD-Chefin Andrea Nahles und der kommissarische Vorsitzende Olaf Scholz in Hamburg vehement für ein Bündnis mit CDU und CSU.
Nach der dreistündigen Debatte mit rund 650 Teilnehmern sagte Scholz, nach seinem Eindruck fänden „die allermeisten“, es liege ein sehr guter Koalitionsvertrag auf dem Tisch, der viele Chancen für Deutschland eröffne. Belastet wird die Kampagne der SPD-Spitze von miesen Umfragewerten für die Traditionspartei.
Ob die Basis nach den insgesamt sieben Mitgliederkonferenzen tatsächlich mehrheitlich Ja zu einer Neuauflage der großen Koalition sagt, wird der Mitgliederentscheid zeigen. Die rund 463.000 Mitglieder können per Briefwahl vom 20. Februar bis zum 2. März abstimmen; am 4. März wird das Ergebnis bekanntgegeben.
Das Bedürfnis zu reden sei in Hamburg enorm groß gewesen, sagte Nahles, bevor sie sich Richtung Hannover zur nächsten von insgesamt sieben Regionalkonferenzen aufmachte. Auf die Frage, warum nicht auch GroKo-Kritiker wie der Juso-Chef Kevin Kühnert bei den Treffen dabei sind, sagte sie: „Hier sind ganz viele Jusos gewesen und ganz viele Kritiker. Kritik haben wir heute auf jeden Fall auch gehört.“
Kühnert ist ebenfalls an der Basis unterwegs, um für ein Nein zu werben. Er erwartet keine Zerreißprobe für die SPD, falls die Parteimitglieder Nein sagen. „Wir sind nicht auf einer Zerstörungsmission“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Nahles berichtete über Kritik am Erscheinungsbild der Parteispitze in den vergangenen Wochen, insbesondere nach dem Rücktritt des Vorsitzenden Martin Schulz. Zudem hätten Mitglieder die Sorge geäußert, dass die SPD in einer Regierung mit der Union an Profil verlieren könnte, sagte Nahles. Es habe aber auch Anerkennung für das Herausgehandelte gegeben.
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius erwartet, dass die in den Umfragen zuletzt bei 16 Prozent liegende SPD nicht weiter abrutscht. „Ich bin sicher, dass wir jetzt den Tiefpunkt erreicht haben“, sagte der Politiker, der auch Mitglied im SPD-Bundesvorstand ist, der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“. „Ich bin schon seit 41 Jahren Parteimitglied, und ich glaube fest daran, dass die SPD unkaputtbar ist und bleibt.“
In Hamburg überzeugten Nahles und die anderen GroKo-Befürworter jedenfalls nicht alle angereisten SPD-Mitglieder aus dem Norden. Einige ließen erkennen, dass sie mit Nein stimmen. Die beiden Lüneburger Studenten Claas (22) und Konrad (23), beide Neumitglieder, etwa bemängelten ein Fehlen kritischer Stimmen. Es sei ja hauptsächlich eine Meinung - die des Parteivorstands - vertreten worden, sagten sie.
Vor allem zwei Fragen bewegten die Mitglieder, wie sie mit Punkten auf aufgestellten Schautafeln deutlich machten: „Wie kann sich die SPD erneuern, wenn sie gleichzeitig regieren muss?“ Und: „Wie können wir uns in einer großen Koalition ausreichend profilieren?“
Sie wollten hören, wie die Stimmung an der Basis sei, sagte Nahles. Und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil betonte: „Ich bin überzeugt, am Ende gibt es eine Mehrheit in der SPD dafür, dass wir in eine Regierung gehen.“ Der Koalitionsvertrag sei gelungen und enthalte viele Inhalte - „und die wollen wir jetzt umsetzen“.
Kurz vor Beginn der Konferenz reichte Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange offiziell ihre Bewerbung für den SPD-Bundesvorsitz ein. Sie will nach dem Rücktritt von Martin Schulz am 22. April beim Sonderparteitag in Wiesbaden gegen die vom Vorstand nominierte Nahles antreten. „Mein Motiv ist, dass ich mehr Transparenz in die Prozesse bei der SPD reinbringen möchte, dass die Mitglieder mehr mitgenommen werden bei Entscheidungen, die auf Bundesebene getroffen werden“, sagte Lange. Kampfkandidaturen sind bei der SPD äußerst selten.