SPD und Union bei Gauck-Nachfolgedebatte schon über Kreuz
Berlin (dpa) - In der großen Koalition wird die Personaldebatte nach der Rückzugsankündigung von Bundespräsident Joachim Gauck gereizter.
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann schloss aus, dass nach jetzigem Stand ein CDU-Politiker ins Schloss Bellevue einziehen werde - weil die Union ja auch keinen Sozialdemokraten wolle. Oppermanns Amtskollege Volker Kauder (CDU) reagierte wütend: Er rate jedem, sich in der Frage zurückzuhalten.
Der Unions-Fraktionsvorsitzende teilte am Nachmittag kräftig aus: „Wenn mein Kollege Oppermann erklärt, dass es kein Kandidat der Union schaffen würde, dann kann ich nur sagen, es ist sicher nicht das erste Mal, dass ein Sozialdemokrat sich geirrt hat.“ CDU und CSU stellen in der Bundesversammlung, die am 17. Februar 2017 zur Wahl eines neuen Präsidenten zusammenkommt, die mit Abstand größte Gruppe, haben aber keine eigene Mehrheit. Das gilt auch für die SPD, die selbst mit Linken und Grünen keinen Kandidaten durchsetzen könnte.
Kauder unterstrich, aus Sicht der Union bleibe es dabei, „dass wir uns Zeit lassen“. Es bestehe keine Notwendigkeit, die Präsidentenfrage vor der Sommerpause auf die Schnelle zu klären. Auch die SPD will zunächst die Landtagswahlen im September in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern abwarten. „Wir müssen miteinander reden in der großen Koalition, aber auch darüber hinaus“, sagte Oppermann.
Gauck präsentierte sich am Tag nach seiner Rückzugserklärung gut gelaunt der Öffentlichkeit. „Sie sehen einen entspannten Bundespräsidenten und einen inspirierten“, sagte er zur Eröffnung der „Woche der Umwelt“ im Park von Schloss Bellevue. Mit der Ankündigung, nicht für eine zweite Amtszeit anzutreten, sei Druck von ihm gewichen. Er sei dankbar für das positive Echo auf seine Erklärung.
Gauck betonte, es gebe derzeit zwar Herausforderungen und Schwierigkeiten, aber: „Das ist kein Land, das sich in einem Orkan befindet.“ Der 76-Jährige hatte am Montag angekündigt, vor allem aus Altersgründen im Februar 2017 nicht für eine zweite fünfjährige Wahlperiode zur Verfügung zu stehen.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann wandte sich gegen eine sofortige Debatte über die Gauck-Nachfolge. „Ich beteilige mich daran nicht. Das gebietet schon der Respekt vor dem Amt“, sagte der Grünen-Politiker, der selbst als möglicher Kandidat gehandelt wird, in Stuttgart. Es gebe keinerlei Gründe, jetzt schon das Feld möglicher Nachfolger zu sortieren.
Grünen-Chef Cem Özdemir sprach sich gegen eine Auswahl nach Parteienkalkül aus. „Wir brauchen einen Präsidenten, der das gesamte Land zusammenhält“, sagte Özdemir der Deutschen Presse-Agentur. Er rate dringend, dies bei Personalvorschlägen zum Maßstab zu machen.
Linke-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht forderte die SPD auf, für einen Präsidenten mit sozialer Ausrichtung einzutreten. „Eine solche Persönlichkeit würde die Linke auf jeden Fall unterstützen, und wenn die SPD den Mut hätte, sie mit uns und den Grünen gemeinsam durchzusetzen, wäre das ein wichtiges Signal“, sagte sie der dpa.
Gauck hatte mit seiner Ankündigung die Parteien unter Zugzwang gesetzt. Zwar betonten alle unisono, sie wollten aus Respekt vor Amt und Amtsinhaber keine hektische Nachfolgediskussion. Allerdings werden schon etliche Namen gehandelt: etwa Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle.