„Speed-Dating“ mit der SPD-Spitze Die neuen Parteichefs lernen die Kanzlerin kennen
Berlin · Eigentlich dauert das Kennenlernen beim Speed-Dating nur ein paar Minuten - im Kanzleramt hatten die Beteiligten am Donnerstagmorgen eine ganze Stunde dafür Zeit.
Ein Frühstück ließ Angela Merkel den kürzlich gewählten SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans auch noch servieren. Sie sollen um die Visite gebeten haben. „Offen und angenehm“ sei das Gespräch gewesen, hieß es im Anschluss. Die neuen und die alten Vertreter der Großen Koalition kommen sich näher.
Auf Esken und Walter-Borjans warten auch schon die nächsten „Dates“: Am Donnerstagnachmittag kommender Woche (19. Dezember) soll es ein Treffen der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer und des CSU-Chefs Markus Söder mit den beiden Genossen geben. Das wurde unserer Redaktion aus Parteikreisen bestätigt. Voraussichtlich auf neutralem Boden in einer der Berliner Landesvertretungen. Bereits nach der Wahl von Esken und Walter-Borjans hatte es telefonische Kontakte zwischen Kramp-Karrenbauer und den neuen Vorsitzenden gegeben. Es seien „gute Gespräche“ gewesen, verlautete danach.
Ebenfalls ist geplant, am frühen Donnerstagabend den Koalitionsausschuss im Kanzleramt tagen zu lassen, zu dem Esken und Walter-Borjans nun Zutritt haben. Wobei es speziell für Angela Merkel terminlich eng werden könnte: In ihrem Kalender steht auch noch das obligatorische Treffen mit den Ministerpräsidenten, das sogenannte „Kamingespräch“ im Vorfeld des Bundesrates. Die Länderkammer kommt am Freitag zu ihrer letzten Sitzung in diesem Jahr zusammen. Sollte der Koalitionsausschuss länger als die bisher geplanten zwei Stunden benötigen, könnte Merkel Kanzleramtsminister Helge Braun zu den Länderchefs schicken. Das wiederum wäre nicht ungewöhnlich.
Im Koalitionsausschuss werde es vor allem um „Atmosphärisches“ gehen, betonte ein Insider. Also ums weitere Kennenlernen. Zugleich sei das Ziel, „Normalität zu demonstrieren“. Denn die Koalition befand sich zuletzt in turbulentem Fahrwasser. So beschäftigte sich die SPD lange mit sich selbst, und die Wahl der GroKo-Gegner Esken und Walter-Borjans zu den neuen Vorsitzenden kam für viele in der Union überraschend. In den C-Parteien hatte man fest auf Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz gesetzt. Die CDU wiederum blickt auf nicht minder aufregende Wochen zurück. Auf dem Parteitag in Leipzig Ende November stellte Parteichefin Kramp-Karrenbauer sogar die Vertrauensfrage, um ihre Position zu festigen und anhaltende Personalquerelen zu beenden.
Inhaltlich wird dem Vernehmen nach im Koalitionsausschuss noch nichts entschieden werden. Die Union will bei dem Treffen vielmehr herausfinden, wer nun Hauptansprechpartner ist - die beiden Vorsitzenden oder der Fraktionschef Rolf Mützenich. Vizekanzler Olaf Scholz spielt dabei offenbar kaum noch eine Rolle. Erst im kommenden Jahr soll es dann wieder um konkrete Entscheidungen gehen. Und da stehen einige Forderungen des neuen SPD-Duos im Raum – zum Beispiel ein Mindestlohn in Höhe von zwölf Euro, die Abkehr von der schwarzen Null und gegebenenfalls auch ein Aufweichen der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse. In der Union wurde erneut betont, es gebe „keinen Anlass“, über die schwarze Null zu sprechen, „geschweige denn über die Schuldenbremse überhaupt nachzudenken“.
Gelegen könnte den Bündnispartnern kommen, dass am Tag vor dem Koalitionstreffen der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat voraussichtlich seine finale Verhandlungsrunde einläuten wird. Dann sollen die noch strittigen Punkte wie die Finanzierungsfragen beim Klimapaket abgeräumt werden. Die Zeit drängt, damit die Maßnahmen Anfang nächsten Jahres in Kraft treten können. Eine Einigung sei daher wahrscheinlich, so Verhandlungskreise. Das dürfte auch den neuen und alten GroKo-Vertretern das Kennenlernen etwas erleichtern.