Staatskanzleichefin Haderthauer stürzt über „Modellauto-Affäre“

München (dpa) - Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) muss sich einen neuen Chef für seine Staatskanzlei suchen: Die bisherige Amtsinhaberin Christine Haderthauer (CSU) stürzte über die seit Wochen schwelende „Modellauto-Affäre“ - sie trat am Montagabend „mit sofortiger Wirkung“ zurück.

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Sie müsse sich nun auf die Klärung der anstehenden Fragen konzentrieren, sagte sie zur Begründung. „Dafür brauche ich Kraft und Konzentration. Nach den Erfahrungen mit der öffentlichen Berichterstattung in den letzten Wochen muss ich aber befürchten, dass das Amt und die damit verbundenen politischen Themen komplett überlagert werden würden.“ Dies entspreche nicht ihrem Amtsverständnis.

Als denkbarer Nachfolger für Haderthauer war zuletzt beispielsweise der heutige bayerische Umweltminister Marcel Huber gehandelt worden, der das Amt schon einmal innehatte. In CSU-Kreisen kursierte aber auch der Name von CSU-Europagruppenchefin Angelika Niebler. Dabei handelte es sich aber jeweils nur um Spekulationen. Als einigermaßen sicher galt, dass Seehofer einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin aus Oberbayern benennen muss - Haderthauer stammt aus Ingolstadt.

Haderthauer betonte: „Damals wie heute bin ich auch davon überzeugt, dass ich die juristischen Vorwürfe vollständig ausräumen kann.“ Doch der Druck auf die 51-Jährige wurde wohl zu groß. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München wegen Betrugsverdachts brachten die CSU-Politikerin in der Öffentlichkeit immer weiter in Bedrängnis.

Hintergrund ist eine Anzeige, die der frühere Mitgesellschafter von Sapor Modelltechnik eingereicht hat. Darin wirft der französische Geschäftsmann Roger Ponton dem Ehepaar Hubert und Christine Haderthauer vor, ihn um mehrere 10 000 Euro geprellt zu haben.

Die Firma verkaufte Mini-Modellautos, die von Straftätern in der Psychiatrie hergestellt wurden. Auch der verurteilte Mörder Roland S. fertigte im Gefängnis Modellautos, die von der Firma vertrieben wurden, an der neben dem Ehepaar Haderthauer auch Ponton beteiligt war. Die heutige Staatskanzleichefin war Ende 2003 aus der Firma ausgestiegen. Das zweifelt die ermittelnde Staatsanwaltschaft München nicht an. Haderthauer beteiligte sich aber 2011 an der Abfindungsvereinbarung für Ponton.

Sie selbst hatte ihr Wirken in der Firma als „von Idealismus getragenes Engagement“ bezeichnet. „Das war sicher nicht klug, das habe ich auch im Kabinett selbst gesagt“, kritisierte Seehofer sie dafür. Bei einem „freundschaftlichen Gespräch“ habe sie ihrem Chef den Rücktrittsentschluss mitgeteilt, sagte Haderthauer am Montag.

Seehofer, der Haderthauers Krisenmanagement im Zusammenhang mit ihrem Engagement bei dem Modellauto-Hersteller wiederholt bemängelt, sich aber ansonsten bislang hinter seine Ministerin gestellt hatte, äußerte „Respekt“ für den Schritt seiner langjährigen Vertrauten. Er würdigte Haderthauers „hervorragende Dienste für den Freistaat Bayern“. Sie habe ihre Ämter stets korrekt geführt. Seehofer bedauere, „mit ihrem Rücktritt ein meinungsstarkes und couragiertes Kabinettsmitglied verloren zu haben“.

Haderthauer galt als Allzweckwaffe der CSU. 2003 zog die Juristin erstmals in den bayerischen Landtag ein, vier Jahre später machte der damalige Parteichef Erwin Huber sie zu seiner Generalsekretärin. Nach dem CSU-Wahldebakel von 2008, als die Partei bei der Landtagswahl die absolute Mehrheit verlor, stand Haderthauer zum ersten Mal vor dem politischen Aus. Doch Seehofer machte sie als Ministerpräsident zur Sozialministerin und schließlich zur Chefin seiner Staatskanzlei.

Die Landtags-Opposition hatte den bayerischen Regierungschef mit einem gemeinsamen Antrag im Parlament aufgefordert, seine Staatskanzleichefin zu entlassen. Für den 16. September war auf Initiative von SPD, Freien Wählern und Grünen eine Sondersitzung zu dem Fall geplant. Darauf pocht die Opposition auch weiterhin. „Am Untersuchungsausschuss zum Fall Haderthauer werden wir festhalten, denn es müssen jetzt alle Details vollumfänglich aufgeklärt werden“, sagte SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Seine Kollegen von Grünen und Freien Wählern äußerten sich ähnlich.

Die SPD nahm auch Seehofer ins Visier. „Der bayerische Ministerpräsident hat die Affäre viel zu lange laufen lassen und sich dabei als handlungsunfähig und als führungsschwach erwiesen“, sagte Rinderspacher. Die Generalsekretärin der bayerischen SPD, Natascha Kohnen, sagte, Seehofer fehle „die Kraft und inzwischen auch die Macht, seine selbstgefällige, in "Schmutzeleien" geübte, Ministerriege im Zaum zu halten“. Freie-Wähler-Fraktionschef Hubert Aiwanger sieht in Haderthauers Rückzug die Chance für eine politische Neuausrichtung der Staatskanzlei „weg von der Arroganz der Macht“.