Streit um Arbeitslosenstatistik: Trickserei?
Nürnberg/Berlin (dpa) - Fast drei Jahre nach einer Änderung der Arbeitslosenstatistik ist die Diskussion über angebliche Zahlentricksereien wieder aufgeflammt.
Die Grünen im Bundestag werfen der Bundesregierung vor, die Zahlen mit dem Herausrechnen älterer, schwer vermittelbarer Arbeitsloser zu schönen. Nach ihren Angaben werden seit 2009 rund 100 000 Erwerbslose über 58 Jahren nicht mehr von der Statistik erfasst. Auch Arbeitsmarktforscher sehen die Regelung kritisch. Das Bundesarbeitsministerium wies die Vorwürfe zurück und versicherte, in der Statistik herrsche volle Transparenz.
Die Grünen berufen sich bei ihren Vorwürfen auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage zur Erfassung älterer Erwerbsloser, über die am Freitag zunächst die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet hatte. In der Antwort räumt die Regierung ein, dass arbeitslose Hartz-IV-Empfänger ab 58 Jahren nicht mehr als arbeitslos gezählt werden, wenn sie „für die Dauer von zwölf Monaten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende bezogen haben, ohne dass eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angeboten worden ist“. Die Regelung gilt seit 2009.
Die Folge sei, dass im November 2011 lediglich 275 400 Arbeitslose im Alter von 55 bis 65 Jahren als arbeitslos ausgewiesen würden. Rechne man die seit 2009 nicht mehr berücksichtigten schwer vermittelbaren Hartz-IV-Beschäftigten hinzu, wären es zu diesem Zeitpunkt 380 000 gewesen, geht aus der Antwort der Bundesregierung hervor. Der Anteil der 55- bis 65-Jährigen an allen Hartz-IV-Arbeitslosen würde im November von 14,2 auf 18,6 Prozent steigen, räumt die Bundesregierung ein.
Das Bundesarbeitsministerium bestätigte die Zahlen am Freitag, wies den Vorwurf der Trickserei aber zurück. „Entscheidend ist nicht die Art der statistischen Erfassung, sondern dass Ältere in Beschäftigung bleiben und wieder schnell in Beschäftigung finden“, erklärte das Ministerium. Auch über 58-Jährige erhielten weiterhin Jobangebote und würden betreut. Zudem enthalte die amtliche Arbeitslosenstatistik sehr wohl auch die entsprechenden Zahlen; sie würden lediglich in der Rubrik „Unterbeschäftigung“ ausgewiesen.
Die Änderung der statistischen Erfassung Älterer war seinerzeit sehr umstritten gewesen. Gegen die Änderung hatte sich damals auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ausgesprochen. Die Denkfabrik der Bundesagentur für Arbeit hatte in ihrer Stellungnahme vor der Änderung gewarnt, weil damit „die Arbeitslosigkeit dieser Altersgruppe künstlich reduziert“ würde. „Unseres Erachtens gibt es keine Notwendigkeit für eine Regelung, die dazu führt, dass die Arbeitslosigkeit dieser Altersgruppe weniger stark wahrgenommen wird.“ Außerdem bestehe die Gefahr, dass sich Jobcenter nicht mehr um ältere, aus der Statistik herausgefallene Erwerbslosen zu bemühten, hatte IAB zu bedenken gegeben.