Verbände wollen „Pflegeminister“ Rösler
Berlin (dpa) Zwei große Pflegeverbände haben vor einem Gespräch mit Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) auf den dramatischen Personalmangel in der Seniorenbetreuung verwiesen.
„Wenn die Politik jetzt nicht energisch handelt, droht ein Pflegenotstand, der viele Jahre nicht mehr zu beheben ist“, sagte der Chef des Arbeitgeberverbands Pflege, Thomas Greiner, der Nachrichtenagentur dpa. Der Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste, Bernd Meurer, betonte: „Pflege mit Fachkräften wird ohne einschneidende Maßnahmen zum Luxusgut. Das Leid wird bei den Familien abgeladen.“
Das Treffen mit dem Minister ist für diesen Dienstag geplant. Die Verbände vertreten hunderttausende Beschäftigte, in ihren Einrichtungen werden 600 000 Menschen gepflegt.
„Die Politik denkt, wir beschreiben ein Szenario in fünf Jahren, aber wir stecken schon mittendrin“, betonte Meurer. „Die gesetzlich geforderte Quote von 50 Prozent Fachkräften kann in vielen Einrichtungen nicht mehr eingehalten werden.“ Laut Greiner gibt es in 93 Prozent der Arbeitsagenturen Besetzungsprobleme in der Altenpflege. „Die Arbeitsagenturen können uns nicht mehr helfen.“
„Der Gesundheitsminister muss auch Pflegeminister werden“, verlangte er. Hauptforderung der Verbände ist, dass künftig nur noch eine Koordinierungsstelle alle Pflege-Fragen klärt. „So wie jetzt geht es nicht weiter. Wir kämpfen gegen ein Bürokratie-Monster.“
So gebe es bei der Anerkennung von Berufsabschlüssen ausländischer Fachkräfte in jedem Bundesland andere Regeln. „Wir haben es mit Gesundheits-, Bildungs- und Arbeitsministerien in 16 Ländern zu tun. Hinzu kommen Bundesbehörden, Arbeitsverwaltung und Handelskammern. Das führt meistens dazu, dass Abschlüsse nicht anerkannt werden und hoch qualifizierte Fachkräfte zurückgeschickt werden“, kritisierte Greiner, der auch Vorstandsvorsitzender des Dienstleistungskonzerns Dussmann-Gruppe ist.
Die Verbände erwarten konkrete Zusagen. „Abschlüsse aus EU-Staaten müssen automatisch anerkannt werden“, verlangte Meurer. „Der Bedarf ist so riesig, dass wir eine gesteuerte Zuwanderung auch aus Nicht- EU-Ländern brauchen. Wegen der ähnlichen Altersstruktur in Europa gibt es einen scharfen Wettbewerb um Fachkräfte.“
Nach einer Prognose des Statistischen Bundesamts wird sich die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland bis 2050 auf rund 4,5 Millionen verdoppeln. Die Verbände gehen davon aus, dass die Branche schon in den nächsten zehn Jahren rund 300 000 Fach- und Hilfskräfte zusätzlich benötigt.
Der Arbeitgeberverband vertritt die Interessen privater Pflegeunternehmen mit rund 200 000 Beschäftigten. Unter dem Dach des Bundesverbands privater Anbieter sind rund 6500 Unternehmen mit etwa 200 000 Arbeitsplätzen vertreten - und damit bundesweit mehr als jede vierte Pflegeeinrichtung.