Hartz IV: Von der Leyen will auf SPD-Länder zugehen
Berlin (dpa) - Im Streit um das Hartz-IV-Gesetz will Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) im Bundesrat auf die SPD-geführten Länder zugehen. Die Forderungen dürften aber nicht utopisch sein, sagte die CDU-Politikerin der Mediengruppe Madsack am Samstag.
Für die erforderliche Zustimmung des Bundesrates zu dem Gesetz fehlt dem schwarz-gelben Regierungslager eine Stimme.
„Für vernünftige Dinge, die gerade bei dem Bildungspaket auch die richtigen Akzente setzen, bin ich offen“, sagte von der Leyen. Der „Welt am Sonntag“ sagte die Ministerin: „Ich appelliere an die Opposition, das Bildungspaket im Wert von durchschnittlich 320 Euro pro Kind und Jahr nicht auf den Rücken der Kinder zu blockieren.“ Sie fügte hinzu: „Wir müssen uns an einen Tisch setzen und unsere Arbeit als Politiker machen. Das Urteil der Verfassungsrichter sei eindeutig. Wer das jetzt noch nicht verstanden hat, der kann nur Opposition, aber nicht Regierung.“
Dagegen lehnte der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder (CDU), jegliche Zugeständnisse an die Opposition ab. „Es gibt hier keine Angebote an die Opposition“, sagte er der „Bild am Sonntag“.
SPD-Chef Sigmar Gabriel nannte in den „Ruhr Nachrichten“ Bedingungen für die Zustimmung seiner Partei. Benötigt werde „ein richtiges Bildungspaket statt des Bildungspäckchens für Kinder aus Hartz-IV-Familien, mit dem Frau von der Leyen die Öffentlichkeit einlullen will.“ Gleichzeitig müsse mit Mindestlöhnen „für Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt“ gesorgt werden. Zugleich müsse auch in der Leiharbeit „das Prinzip Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" ohne Ausnahme gelten“.
Der Bundestag hatte die Hartz-IV-Reform am Freitag nach turbulenter Debatte mit den Stimmen der schwarz-gelben Koalition und gegen das Votum der Opposition angenommen. Sie sieht vor, dass der Hartz-IV-Regelsatz zum 1. Januar von 359 auf 364 Euro steigt. Hinzu kommt ein Bildungspaket mit Schulessen, Schülertickets, Nachhilfe und Angeboten für Sport und Kultur, für das 740 Millionen Euro bereitstehen. Nun kommt es auf den Bundesrat an, der am 17. Dezember entscheidet. Das Verfassungsgericht hatte die bisherige Hartz-IV- Praxis beanstandet und dem Gesetzgeber für die Neuregelung eine Frist zum 1. Januar 2011 gesetzt.
Unterdessen bereiten sich die Kommunen darauf vor, die geplanten Bildungsangebote für Kinder aus Hartz-IV-Familien in jedem Fall am 1. Januar starten zu lassen: „Wenn es zu keiner Einigung im Bundesrat kommt, dann wird die (...) Regelung vorläufig in Kraft gesetzt“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, der „Rheinischen Post“ (Samstag). In der „Rheinpfalz am Sonntag“ forderte Landsberg für die Kommunen eine finanzielle Entlastung. Sie seien nicht bereit, die rund 300 Millionen Euro an zusätzlichen Sozialausgaben für Langzeitarbeitslose zu übernehmen.
Der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt, sagte, der „Rheinischen Post“, er sei zuversichtlich, dass die Job-Center in Zusammenarbeit mit den Kommunen „ab Jahresanfang eine gute Angebotsstruktur für Bildung und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen“ bereithalten werden.
Dagegen sagte der SPD-Politiker Thomas Oppermann: „Allein die Idee, 1300 neue Stellen für eine Bildungsbürokratie zu schaffen, ist Grund genug, das Gesetz abzulehnen. Die SPD will Ganztagsbetreuung statt Gutscheinbürokratie.“ Und bei den Regelsätzen für Erwachsene müsse Transparenz geschaffen werden „statt einer Willkürberechnung“.
SPD und Grüne ermahnten sich am Samstag gegenseitig zur Verlässlichkeit bei der geplanten Ablehnung des Gesetzes. Der Grünen Vorsitzende Renate Künast sagte: „Ich warne die SPD davor, sich auf irgendwelche Spielchen oder Deals mit der CDU einzulassen und damit die Mehrheit gegen die unsozialen Hartz-IV-Gesetze im Bundesrat zu gefährden. Es gehöre leider zu den eher traurigen Erfahrungen, dass die SPD sich im Bund und in Landesregierungen nicht immer einheitlich verhält.“
Oppermann verwies dagegen erneut auf Medienaussagen von Saar- Grünen-Chef Hubert Ulrich, in denen dieser zunächst seine Gesprächsbereitschaft mit der Bundesregierung signalisiert hatte. Ulrich hatte dann allerdings am Freitag klargestellt, dass die Grünen die im Bundestag verabschiedete Neuregelung ablehnen. Ohne erhebliche Nachbesserungen an dem Gesetz werde seine Partei bei ihrem Nein bleiben.