Vorwürfe Weihnachtsmarkt-Anschlag: Ex-Informant der Polizei klagt an

Berlin · Der frühere V-Mann der nordrhein-westfälischen Polizei im Fall Anis Amri erhebt laut "Spiegel" schwere Vorwürfe gegen die Sicherheitsbehörden. Das Attentat Amris im Dezember 2016 am Berliner Breitscheidplatz wäre zu verhindern gewesen.

Wäre der Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin zu verhindern gewesen? Ein V-Mann ist dieser Meinung.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Ein früherer Informant aus dem Salafistenmilieu fühlt sich einem Medienbericht zufolge von der Polizei ungerecht behandelt. Er sieht demnach einen Zusammenhang zu dem Weihnachtsmarkt-Anschlag des Tunesiers Anis Amri. „Viele Menschen verwünschen den Tag, an dem sie mich trafen“, sagte der Mann, der als V-Mann den Namen „Murat“ trug, dem „Spiegel“. „Ich verfluche den Tag, an dem ich Anis Amri begegnet bin.“ „Murat“ hatte ab November 2015 mehrfach auf die Gefährlichkeit des abgelehnten Asylbewerbers hingewiesen.

Amri hatte am 19. Dezember 2016 in Berlin einen Lastwagen gekapert, mit dem er über den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz raste. Er tötete zwölf Menschen. Amri hatte enge Kontakte ins Salafisten-Milieu und war Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS).

„Am Anfang war es okay, die Beamten zeigten Interesse an mir und meiner Familie“, sagte „Murat“ dem „Spiegel“. Doch wenn er Probleme gehabt habe oder es ihm nicht gut gegangen sei, habe er keine Unterstützung erfahren. Es habe immer öfter Streit mit der Polizei gegeben. Dabei habe er sein Leben für die Polizei riskiert. „Und das ist der Dank?“ „Murat“ arbeitete fast 20 Jahre lang als V-Mann für die Polizei - nicht nur im Salafistenmilieu. Er hatte sich bislang zu dem Fall noch nicht öffentlich geäußert

Der V-Mann sei einer der wichtigsten Zeugen, um den Anschlag umfassend aufzuklären, sagte der FDP-Obmann im Amri-Untersuchungsausschuss des Bundestages, Benjamin Strasser. Die Linke-Obfrau Martina Renner sagte, der V-Mann habe hochwertige Informationen über geplante Anschläge und Verbindungen von Amri zu IS-Leuten geliefert. „Wir wollen ihn daher unbedingt vernehmen. Das Innenministerium in NRW hat nach der Veröffentlichung nun keinen Grund mehr, seine Vernehmung weiter zu blockieren.“

Ende 2019 war der Vorwurf laut geworden, die Leitungsebene des Bundeskriminalamtes und des Bundesinnenministeriums hätten Anfang 2016 versucht, den vom Landeskriminalamt NRW geführten „Murat“ mundtot zu machen. Ein Ermittler aus NRW hatte als Zeuge im Amri-Ausschuss ausgesagt, ein BKA-Beamter habe ihm bei einer Besprechung im Februar 2019 gesagt, der V-Mann „mache zu viel Arbeit“. Diese Einschätzung komme von „ganz oben“. Das Ministerium wies dies zurück.

Zwei Zeugen der Berliner Polizei hatten Donnerstagnacht im Untersuchungsausschuss aus Sicht einiger Abgeordneten nicht schlüssig erklären können, weshalb der auf einen Alias-Namen ausgestellte Ausweis von Amri nicht schon kurz nach der Tat im Lastwagen gefunden worden war. Fotos der Ermittler, die der Ausschuss begutachtete, zeigen, dass das Portemonnaie des tunesischen Islamisten nach dem Anschlag gut sichtbar vor dem Fahrersitz gelegen hatte. Nach Polizeiangaben wurde der Ausweis, der dann die Grundlage für die Fahndung nach Amri war, erst einen Tag nach dem Terroranschlag entdeckt. Zu diesem Zeitpunkt war der Attentäter längst aus der Hauptstadt verschwunden.

(dpa)