Weitere Ermittlungen in der Neonazi-Mordserie
Berlin (dpa) - Die SPD-Bundestagsfraktion hat die Einsetzung eines unabhängigen Expertengremiums ins Gespräch gebracht, um die Pannen bei der Aufklärung der Neonazi-Mordserie zu durchleuchten.
Das Gremium solle volle Akteneinsicht erhalten, sagte Innenexperte Michael Hartmann der in Halle erscheinenden „Mitteldeutschen Zeitung“ (Online). Als denkbare Mitglieder nannte er frühere Bundesminister oder Richter. Von Überlegungen, einen Untersuchungsausschuss des Bundestages oder einen Sonderermittler einzusetzen, rückte Hartmann hingegen ab, da vor allem Landesbehörden versagt hätten.
Bund und Länder wollen heute mit der Aufarbeitung der Mordserie weiter vorankommen. In Berlin tagt das Bundestagsgremium zur Kontrolle der Geheimdienste (PKG) in einer Sondersitzung. In Erfurt nimmt eine Untersuchungskommission zur rechtsextremen Terrorzelle aus Thüringen die Arbeit auf. Den Vorsitz hat der ehemalige Richter am Bundesgerichtshof, Gerhard Schäfer, übernommen, der bereits als Sachverständiger für das PKG gearbeitet hat.
Schäfer wies in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa darauf hin, dass er mit sehr weitreichenden Kompetenzen ausgestattet ist. „Da gibt es einen Kabinettsbeschluss. Mir sind keine Beschränkungen auferlegt worden, außer denen, die gesetzlich gegeben sind“, sagte er. „Das ist ausdrücklich geregelt.“ Wie lange wird die Arbeit der Kommission dauern werde, sei offen. „Es sind drei Monate ins Auge gefasst worden, aber das ist ein willkürlich gegriffenes Datum.“
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) denkt über Möglichkeiten für ein NPD-Verbotsverfahren nach, ohne alle V-Leute abziehen zu müssen. „Wir werden prüfen, ob es einen gangbaren Mittelweg gibt“, sagte der Innenminister der „Rheinischen Post“ (Mittwoch). Das Verfassungsgericht habe darauf hingewiesen, dass Beweise gegen die NPD nicht verwertbar seien, wenn V-Leute in der Partei selbst aktiv mitmischen. Natürlich seien aber auch weiterhin Informationen aus dem Innenleben der Partei ungemein wichtig.
Der scheidende israelische Botschafter in Deutschland, Yoram Ben-Zeev, sprach sich für ein Verbot der NPD aus. Die rechtsextreme Partei stelle „dieses demokratische Land infrage“, sagte Ben-Zeev der „Bild“-Zeitung (Mittwoch). Dagegen müssten Demokratien sich wehren. „Solche Bewegungen sind ein Krebs, und man muss ihn herausschneiden. Sonst breitet der Krebs sich aus, besonders in wirtschaftlichen Krisenzeiten“, warnte er.
Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, forderte eine vollständige Finanzierung der Programme gegen Rechtsextremismus in finanzschwachen Kommunen. „Es ist nötig, dass Bund und Länder Projekte gegen Rechtsextremismus zu 100 Prozent fördern, wenn die Kommunen sich eine Co-Finanzierung nicht leisten können, aber ein Problem mit dem Rechtsextremismus vor Ort haben“, sagte Landsberg der „Rheinischen Post“ (Mittwoch). Der Bund finanziere viele Projekte nur zu 50 Prozent.