Westerwelle als Krisenmanager

Der Minister gewinnt in seinem Amt zusehends an Profil.

Genf. Als es Guido Westerwelle vor einer Weile so richtig schlechtging, bekam er von einem seiner Leute einen alten „Spiegel“-Artikel geschenkt. Drei Seiten aus dem Herbst 1974 über einen „weithin unbekannten Neuling“ namens Hans-Dietrich Genscher, der sich als Außenminister scheu und unsicher durch die Gänge der Vereinten Nationen schlängelte. Die Botschaft war klar: Auch spätere Top-Diplomaten hatten es zu Beginn der Karriere nicht leicht.

Derzeit käme in Westerwelles Umgebung keiner mehr auf die Idee, dem Chef zum Trost einen solchen Artikel in die Hand zu drücken. Seit Beginn der Revolten in der arabischen Welt hat der FDP-Außenminister an Statur gewonnen. Im Unterschied zu einer ganzen Reihe von europäischen Kollegen macht der 49-Jährige in der Krise eine gute Figur.

Am Montag war er wie einst Genscher bei den Vereinten Nationen unterwegs — wenn auch nicht in New York, sondern in Genf. Dort hat der UN-Menschenrechtsrat seinen Sitz. Im Mittelpunkt aller Gespräche: die Entwicklung in Libyen, wo Machthaber Muammar al-Gaddafi den Aufstand im eigenen Land brutal zu unterdrücken versucht. Auch auf deutsches Drängen hin beschloss die Staatengemeinschaft die ersten Sanktionen.

Zu Beginn des Jahres, beim Dreikönigstreffen der FDP, war der Vizekanzler noch angeschlagen. Bis in die eigene Partei gab es massive Kritik, dass er mit dem Amt, das er so sehr gewollt hatte, nichts richtig anzufangen wisse.

Westerwelle hatte einige Erfolge — wie die Wahl in den UN-Sicherheitsrat oder die Festlegung auf einen einigermaßen fixen Termin für den Abzug der ersten deutschen Soldaten aus Afghanistan. Aber die große Linie war nicht zu erkennen. Dem FDP-Chef war anzusehen, wie er in der Welt der Diplomatie noch fremdelte.

Möglicherweise hat er mit der Krise in Nordafrika sein Thema gefunden. Im Vergleich zu europäischen Kollegen hatte er leichteres Spiel: Die Deutschen hatten sich nie so eng mit arabischen Machthabern eingelassen wie andere. Der Italiener Franco Frattini war für Gaddafi vergangene Woche noch voll des Lobes. Die Französin Michèle Alliot-Marie kosteten die Beziehungen nach Tunesien das Amt.