Wie sich von der Leyen inszeniert
Arbeitsministerin lässt in ARD-Bericht nur dosiert Privates zu.
Berlin. Ursula von der Leyen (CDU) geht noch mal einen Redetext durch, markiert hier, unterstreicht dort, auf der Suche nach der richtigen „Melodie“, wie sie sagt. Ob sie das gelernt, etwa einen Rhetorikkurs belegt habe, fragt Filmautorin Gesine Enwaldt.
Nein, erwidert die zierliche Frau hinter dem Schreibtisch, aber sie hätten früher in der Familie viel Theater gespielt.
„Ich war ganz oft der Verkündigungsengel oder Maria“, sagt von der Leyen und lächelt verzückt. „Früher Maria, heute Sozialministerin“, kommentiert die Autorin trocken aus dem Off.
Das Timing für dieses bemerkenswerte Porträt in der „story“-Reihe der ARD ist perfekt. Erst vor wenigen Tagen hat sich die Koalition nach schwerem Ringen auf einen Kompromiss bei der „Lebensleistungsrente“ geeinigt. Von der Leyen erklärt im Film, sie habe zu lange gewartet, „um konsequent und auch mit einer gewissen Rabiatheit“ das Thema Bekämpfung der Altersarmut in Fraktion und Partei zu tragen.
Da ist sie wieder, die taffe Ministerin, wie man sie zu kennen glaubt. Die von „unendlichen Gesprächsrunden“ spricht und dabei ihre Ungeduld mühsam hinter einem Lächeln verbirgt.
Auch prophezeit sie, dass die Union nach der Wahl keine Koalition mehr eingehen werde, in der ihr Mindestlohn-Modell nicht umgesetzt werde, und überhaupt sei ihre Partei „gut aufgestellt“, wenn sie sich nicht auf einen Koalitionspartner festlege. Hübscher Sprengstoff.
„Hinter die Fassade blicken“, wie Autorin Enwaldt hoffte, ließ sich von der Leyen nur begrenzt. Aber immerhin. Die Kamera ist bei internen Besprechungen dabei, es geht um Rente, Mindestlohn, Frauenquote, aber „ganz selten vergisst sie die Kamera, vergisst sich und uns zu kontrollieren“, erklärt Enwaldt erfrischend offen.
Privates ist tabu. Abseits des politischen Treibens in Berlin gewährt die 54-Jährige dem Filmteam jedoch ein Interview bei einem Spaziergang durch die Natur im heimischen Burgdorf. Da berichtet sie von einem „Schlüsselerlebnis“ mit ihrem Vater Ernst Albrecht, dem ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten, der von der Tatsache, dass sie nicht nur Mutter, sondern auch berufstätige Ärztin sein wollte, offenbar wenig hielt.
Ursula von der Leyen schüttelt sich noch heute, sie sei so wütend gewesen. „Ich war ja sein Augapfel“, sagt sie. Da habe sie sich vorgenommen: „Na warte, ich zeig’s Dir.“ Das wirkt sympathisch und authentisch, ist vermutlich wahr — und Selbstinszenierung zugleich. Sympathisch ist auch, dass Autorin Enwaldt dies reflektiert und fragt: „Geht es um Wirkung oder Wirklichkeit?“