Sozialpolitischer Aschermittwoch Wulff: „Die Freiheit ist in echter Gefahr“
Essen. Der „Scorpions“-Hit „Wind of Change“ ist vor bald 30 Jahren zur Hymne der Wende und des friedlichen Wandels geworden. Für den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff liegt derzeit ein anderer „Wind of Change“ in der Luft: „Werden die vergangenen 30 Jahre im Rückblick die glücklichsten und friedlichsten Jahre gewesen sein?
“, fragt er angesichts von Nationalismus, Populismus und wachsendem Hass in Europa und der Welt. „Die Freiheit ist in echter Gefahr.“
Dem Schlagabtausch der Parteien setzen das Ruhrbistum Essen und die Evangelische Kirche im Rheinland (Ekir) seit 1998 einen Sozialpolitischen Aschermittwoch entgegen, diesmal im Essener Dom — und mit sorgenvoller Grundierung: „Spätestens seit dem vergangenen Jahrhundert wissen wir: Wenn mehr als ein Volk ,Wir zuerst’ sagt, wird man sich über kurz oder lang auf Soldatenfriedhöfen treffen“, sagt Ekir-Präses Manfred Rekowski.
Als Ursachen für die Krise der Demokratie macht Wulff den weltweiten Terror sowie die Schattenseiten der Globalisierung und Digitalisierung aus. Emotionen, die früher aus gutem Grund am Stammtisch verblieben seien, „können heute als Verschwörungstheorien durch die Welt gehen“.
Den Untergangsszenarien von Intellektuellen wie Peter Sloterdijk oder Michel Houellebecq hält Wulff entgegen: „Deutschland muss nichts davon aufgeben, was es stark gemacht hat.“ Multikulti im Sinne von „Jeder macht, was er will“ sei gescheitert. „Aber ein Multikulturalismus ist das Gebot der Stunde.“ Den Kirchen bescheinigt er, mit der katholischen Soziallehre und der protestantischen Ethik „supermodern“ zu sein.
Wulff greift seinen umstrittenen Satz auf, auch der Islam gehöre zu Deutschland, spricht aber von nötigen Klarstellungen. „Wer intolerant ist, braucht entschiedenen Widerstand.“ Und für die Verteidigung der Demokratie sei wichtig: „Man muss nicht nur eine Meinung haben, sondern sie auch äußern.“