Berlin Zweite Amtsperiode: Ein Deal um Bundespräsident Gauck?
Union und SPD wollen den 76-Jährigen unbedingt im Amt halten - aus guten Gründen
Berlin. Joachim Gauck will es nochmal wissen. Zum Tag des Grundgesetzes am 23. Mai hat der Bundespräsident 750 Kommunalpolitiker und Bürgermeister nach Berlin eingeladen. Gauck plant zu diesem Anlass eine große Rede, er selbst arbeite intensiv daran, heißt es aus seinem Umfeld. Sie dürfte seine letzte wichtige Ansprache werden, bevor er eine ebenso wichtige Entscheidung verkündet - ob er als Staatsoberhaupt weitermacht oder nicht.
In Berlin ging zuletzt das Gerücht um, Gauck könnte womöglich den Verfassungstag nutzen, um sich zu erklären. Der Termin würde zu ihm passen: ein historisch bedeutender Tag für eine politisch wie persönlich bedeutende Ankündigung. "Er wird das aber nicht in einer Rede tun", wehrt man im Schloss Bellevue ab. Deswegen bleibt alles so, wie der Präsident es kürzlich selbst in ein Mikrofon sagte: "Lassen Sie mal den Frühsommer kommen." Dann will er für Klarheit sorgen. Vermutlich in Form einer präsidialen Erklärung, die keine Nachfragen erlaubt.
Laut Kalender beginnt der Sommer am 21. Juni. Ob Gauck sich schon entschieden hat, wird vermutlich noch nicht einmal sein engster Beraterkreis wissen. Zu groß ist die Gefahr einer Indiskretion. Außerdem weiß der Präsident selbst, dass jede noch so kleine Andeutung von ihm oder einem seiner Vertrauten begierig hin und her bewertet werden würde.
Die Fragen, um die es geht, sind: Fühlt er sich fit genug, um im Februar 2017 erneut anzutreten? Oder besorgt es ihn, dass er bei seiner Wiederwahl 77 Jahre alt sein wird, und am Ende seiner zweiten Amtszeit sogar 82? Gesundheitlich geht es Gauck gut, bis auf die Knieprobleme, die ihn plagen. Von seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt wird freilich kolportiert, sie wünsche sich mehr private Gemeinsamkeit.
Politisch wäre es die einfachste Lösung, wenn Gauck Staatsoberhaupt bliebe. Zumindest für die große Koalition. In der Bundesversammlung gäbe es für ihn eine satte Mehrheit. Deswegen machte am Freitag in Berlin die Nachricht die Runde, führende Koalitionspolitiker würden Gauck dazu drängen, weiterzumachen. Bei Gesprächen sei es auch um einen möglichen Rückzug zur Hälfte der Amtszeit gegangen, wenn er in deren Verlauf feststelle, dass seine Kräfte doch nicht ausreichten. Keiner, so die Berichte, habe jedoch von Gauck verlangt, dass er schon mit dem Plan eines vorzeitigen Amtsverzichts ins Rennen gehe.
Das würde er sicherlich auch nicht machen. Erstens, weil er ehrgeizig und eitel genug ist, durchhalten zu wollen. Zweitens, weil ein solcher Plan nicht seinem Amtsverständnis und auch nicht der Verfassung entspricht, in der die Amtsdauer des Präsidenten auf fünf Jahre festgelegt ist. Und drittens, weil Kanzlerin Angela Merkel für so einen kruden Deal nicht zu haben wäre. Sie will Stabilität im Schloss.
Bestätigt wurden die Gespräche mit Gauck aus Reihen der Koalition offiziell nicht. Aber dass die großen Parteien ihn halten wollen, daraus ist in den letzten Wochen kein Hehl gemacht worden. Sie treibt der Gedanke an, dass Gauck in schwierigen Zeiten mit Flüchtlingskrise und der stärker werdenden Rechten ein Stück Kontinuität verkörpert.
Außerdem will die Koalition zusätzliche Turbulenzen vermeiden - Union und SPD fürchten das parteipolitische Gezänk, dass zwangsläufig durch die Suche nach einem neuen Kandidaten entstehen würde. Die Fragen, um die es dann geht, liegen auf der Hand: Muss nicht endlich eine Frau Bundespräsidentin werden, oder jemand von den Grünen? Oder am besten beides in einer Person? Bald wird weißer Rauch über Schloss Bellevue aufsteigen. Dann herrscht endlich Gewissheit über Gaucks Zukunft.