Irrlicht Gaddafi nimmt Kurs auf New York

Der Uno droht Ungemach. Libyens Staatschef übernimmt ab Dienstag den Vorsitz der Vollversammlung.

Tripolis. Erst beantragte er bei den Vereinten Nationen die Auflösung der Schweiz, weil die Eidgenossen seinen gewalttätigen Sohn vorübergehend festgenommen hatten. Jetzt reist der libysche Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi (67) zum ersten Mal seit seiner Amtsübernahme vor 40 Jahren in die USA.

Das schmerzt die Angehörigen der Opfer des Attentats auf die Pan-Am-Maschine, die 1988 über dem schottischen Lockerbie abstürzte. Denn erst kürzlich ließ die libysche Führung dem wegen eines Krebsleidens aus der Haft entlassenen Lockerbie-Attentäter Abdel Basset al-Megrahi in Tripolis einen Jubelempfang bereiten. Auch die Schweiz leidet sehr an Gaddafi, der seit der Prügel-Affäre um seinen Sohn Hannibal in Genf zwei ihrer Staatsbürger in Libyen festhält.

Gaddafi, dessen Außenpolitik von ausländischen Diplomaten als "bizarr" charakterisiert wird, besucht aber nicht Washington, sondern nimmt Kurs auf New York. Denn am Dienstag übernimmt Libyen turnusgemäß für ein Jahr den Vorsitz der UN-Vollversammlung.

Acht Tage später darf der für seine ausschweifenden Reden berüchtigte Oberst Gaddafi dann vor Staats- und Regierungschefs aus aller Welt sprechen, direkt nach US-Präsident Barack Obama. Allerdings muss sich das politische Irrlicht aus Tripolis kurzfassen. Seine Redezeit beträgt fünf Minuten.

Doch ob er sich an diese Beschränkung halten wird, weiß niemand zu sagen. Auch wann er genau anreist, ob er in einem seiner bunten Fantasiegewänder auftreten wird und wo er nächtigen will - nachdem ihm die Amerikaner keinen Platz für sein Beduinenzelt zuweisen wollten - ist unbekannt. "Unser Staatschef ist kein normaler Präsident, der vor einer Reise einen Zeitplan ankündigt", heißt es dazu in Tripolis.

Gaddafi hat schon angekündigt, dass er in New York einen ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat für den afrikanischen Kontinent fordern will sowie Kompensation für die Kolonialzeit und die Sklaverei. Doch der Beduinensohn, der sich 1969 an die Macht putschte, zaubert während der Vollversammlung sicher noch die ein oder andere Überraschung aus dem Sack.

Schließlich hat der "Bruder Führer" zu fast allem eine Meinung. Die Wurzel allen Übels in Afrika sei Israel, tönte er kürzlich. Auf seiner Website www.algathafi.org kann man folgenden Satz nachlesen: "Heute folgt die Nato Napoleons und Hitlers Strategie, um Russland zu erreichen."