Joachim Gauck will nicht bequem sein

Der Mann aus Rostock hat sich einmal als „linker liberaler Konservativer“ bezeichnet. Mit seinen Thesen wird er anecken.

Berlin. Joachim Gauck ist nicht nur ein großer Redner, sondern auch ein emotionaler Mensch. Das kann er nicht verbergen, als er neben Kanzlerin Angela Merkel und anderen Spitzenpolitikern zum ersten Mal das Wort ergreift. Er spricht am Sonntagabend von seiner „Verwirrung der Gefühle“ und davon, dass er kein „Supermann“ sei. Aber fast Übermenschliches wird nun von ihm erwartet.

Zumindest einen „Anti-Wulff“ wollen nun viele. Der Mann aus Rostock soll dem Amt des Bundespräsidenten neuen Glanz bescheren, der Nation Orientierung, dem Ausland wichtige Signale. Unbequem sein soll er für viele besser nicht, aber genau dies ist zu erwarten. Denn Gauck hat durchaus Gefallen an der Rolle des Mahners: „Ich bin weder ein Prophet noch ein Weisheitslehrer“, schreibt er, aber doch ein „Liebhaber der Freiheit“.

Als überparteilicher Kandidat hat Gauck es sicher leichter als es 2010 gewesen wäre, wenn er Mitte März in das Schloss Bellevue wechselt. Aber Rot und Grün werden schnell merken, dass er zwar ihr Kandidat war — vielen ihrer Positionen aber keinesfalls nahesteht. Als „linken liberalen Konservativen“ soll er sich selbst einmal bezeichnet haben. Das Hauptwort heißt Konservativer.

Das schmale Büchlein Gaucks, das am Montag auf den Markt kam, gibt schon ein paar Hinweise. So sagt er etwa über die Wiedervereinigung: „Die westdeutschen Ellenbogenmenschen konnten ganz gut mit jenen sprechen, die ihre Ellenbogen schon in der Diktatur trainiert hatten.“ Über die Friedensbewegten: „Sie waren trotz eines Kommunismus’ mit imperialen Absichten bereit, den demokratischen Westen mental und militärisch abzurüsten.“

Als „unsäglich albern“ bezeichnete er 2010 die Antikapitalismus-Debatte. Und mit Blick auf die Proteste beim Bahnprojekt Stuttgart 21 warnte Gauck vor einer Protestkultur, „die aufflammt, wenn es um den eigenen Vorgarten geht“.

Joachim Gauck hat sicher nicht die Absicht, es jedem recht zu machen. Wer ihn aber schon jetzt kritisiert, muss genau hinhören. So wurde ihm ein gewisses Verständnis für die ausländerkritischen Thesen des Thilo Sarrazin nachgesagt, dem er in einem Interview tatsächlich „Mut“ bescheinigte. „Er ist mutig, und er ist natürlich auch einer, der mit der Öffentlichkeit sein Spiel macht.“

Eine der spannendsten Fragen für die ersten Monate der Amtszeit wird sein, wie er das Thema Integration aufnehmen wird. Sein Vorgänger hat da mit seinem Satz, wonach der Islam auch zu Deutschland gehöre, einen Schwerpunkte gesetzt. Die muslimischen Verbände forderten Gauck bereits auf, die Politik seines Vorgängers fortzusetzen. Noch nicht hervorgetreten ist Gauck beim Thema Euro und Schuldenkrise. Auch hier wird von ihm Orientierung erwartet.