John Kerry soll US-Außenministerin Clinton ablösen
Vor acht Jahren unterlag John Kerry George W. Bush im Wahlkampf. Nun soll der 69-Jährige Außenminister werden.
Washington. Die Würfel sind offenbar gefallen: US-Präsident Barack Obama hat sich US-Medienberichten zufolge für den demokratischen Senator John Kerry (69) als Nachfolger von Außenministerin Hillary Clinton entschieden. Die offizielle Nominierung werde in der kommenden Woche erfolgen, berichteten die „Washington Post“ und der Sender CNN am Samstagabend.
Die eigentliche Favoritin, UN-Botschafterin Susan Rice (48), hatte nach wochenlangem Zwist mit den Republikanern aufgegeben. Die scharfzüngige Spitzendiplomatin war wegen ihrer Informationspolitik nach einer Attacke auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi massiv attackiert worden.
Kerry ist ein alter Hase im Politgeschäft. Mit den Initialen JFK schien für ihn die Politik-Karriere vorbestimmt zu sein. Wie sein Vorbild John F. Kennedy wollte der drahtige Ostküsten-Katholik John Forbes Kerry 2004 US-Präsident werden. Dass es im Wahlkampf gegen George W. Bush nicht reichte, lag auch am elitären und mitunter steifen Auftreten des 1,93 Meter großen Diplomatensohns mit dem markanten Kinn.
In der zweiten Reihe der US-Politik zählt der demokratische Senator aus Massachusetts seit Jahrzehnten zu den profilierten Außenpolitikern. Kerry hat nicht zuletzt mit schwierigen Missionen in Afghanistan und Pakistan Vertrauen gewonnen. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses war der erste US-Politiker, der Ägyptens neu gewählten Präsidenten Mohammed Mursi traf.
Präsident Obama hatte Kerry im vergangenen Wahlkampf als Trainingspartner für die TV-Rededuelle gegen den republikanischen Herausforderer Mitt Romney ausgewählt. Als US-Außenministerin Hillary Clinton ihren Rückzug von der Politik ankündigte, musste es sich Kerry dennoch gefallen lassen, nicht die erste Wahl für die Nachfolge zu sein.
In den vergangenen 30 Jahren hat sich Kerry im Senat nicht nur Freunde gemacht. Die Unterstützung der Opposition für den erklärten Israel-Freund dürfte nach Einschätzung von Experten aber sicher sein.
Die Eloquenz des Diplomatensohns, der seinen Schliff auf einer Privatschule in der Schweiz und an der Elite-Uni Yale bekam, ist legendär. Ein volksnaher Politiker ist Kerry aber bis heute nicht. Dass der Freund edler Rotweine etwa im Wahlkampf 2004 bekannte, mit seiner zweiten Frau, der Millionärin und Ketchup-Erbin Teresa Heinz, auch mal auf Französisch zu parlieren, war vielen US-Patrioten nicht geheuer.
Empfindlich reagierte der Hobbypilot und Gitarrenspieler auf Behauptungen im Wahlkampf 2004, er habe sich als US-Soldat in Vietnam hohe Kriegsorden erschlichen. Kerry, der später als Kriegsgegner in die Politik einstieg, ließ die Vorwürfe durch Kameraden von einst widerlegen.
Im Gegensatz zu Obama lassen sich in Kerrys Biografie viele Anknüpfungspunkte mit Europa finden. Sein Vater war als US-Diplomat auch in Berlin tätig, das der 1943 geborene Kerry in der Nachkriegszeit mit dem Fahrrad erkundete. Als der neugierige Junior in den sowjetischen Sektor radelte, gab es daheim Hausarrest, erzählte Kerry Jahrzehnte später.