Kirche: Kündigung wegen Ehebruchs war unwirksam
Menschenrechts-Gerichtshof hält die Entlassung eines Organisten für einen unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre.
Straßburg. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Selbstverwaltung der katholischen Kirche in Deutschland eingeschränkt.
Nach seinem Urteil verstößt die Entlassung eines Essener Kirchenchorleiters wegen Ehebruchs gegen die Achtung der Privatsphäre.
Bernhard Schüth (Foto), ein heute 53-jähriger Chorleiter und Organist, hatte sich 1994 von seiner Ehefrau getrennt und lebte mit einer anderen Frau zusammen, die ein Kind von ihm erwartete.
Als dies durch die Plauderei seines anderen Kindes im Kindergarten bekannt wurde, reagierte die Kirche mit der Entlassung.
Laut dem Straßburger Urteil haben die Kirchen in Deutschland durchaus das Recht, ihre Mitarbeiter aus sittlich-moralischen Gründen zu entlassen. Doch dabei müssen die Position des Mitarbeiters innerhalb der Kirche geprüft und die Rechte beider Parteien sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.
Im Fall des Chorleiters haben die Arbeitsgerichte in Deutschland nach Ansicht des EGMR "einseitig die Position der Kirche" berücksichtigt. Nicht gerichtlich abgewogen worden sei die spezifische Qualifikation des Klägers, die ihm kaum Chancen auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz gebe.
Die Entscheidung bedeutet nicht, dass nun keine Kirchenmitarbeiter mehr wegen Ehebruchs entlassen werden dürfen. Das zeigt ein zweiter, vom EGMR entschiedener Fall.
Dabei wiesen die Richter die Beschwerde eines leitenden Presse-Mitarbeiters der deutschen Mormonenkirche wegen außerehelicher Beziehungen zurück: Diese Kündigung ist rechtens. Hier haben nach Ansicht der Richter die Arbeitsgerichte alle wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt. Die Kündigung sei nachvollziehbar.
Dem Mann "hätte klar sein müssen, welche Bedeutung die eheliche Treue für seinen Arbeitgeber hat", hieß es in der Begründung. Bei den Mormonen gilt Ehebruch als "gräulichste aller Sünden".