Gesundheit: Einstieg in die Kopfpauschale?

Regierung will Reform mit pauschalen Zusatzbeiträgen ohne Obergrenze. Wer wenig verdient, erhält einen Sozialausgleich.

Berlin. Philipp Rösler und Markus Söder mögen klare Worte. Der Bundesgesundheitsminister (FDP) versprach kurz vor Amtsantritt: "Wir sind davon überzeugt, dass unser Gesundheitssystem besser wird, aber definitiv nicht teurer."

Sein CSU-Gegenspieler aus Bayern beerdigte im Mai Röslers damaliges Modell abgespeckter Kopfpauschalen mit den Worten: "Kopfpauschale und Beitragserhöhung funktionieren im Doppelpack nicht." Aber das Kabinett beschließt mit der Gesundheitsreform heute genau dies: eine Verteuerung sowie Pauschalen pro Versichertem.

Die Beiträge steigen 2011 auf 15,5 Prozent. Gemeinsam mit einem geringeren Umsatzplus bei Ärzten und Pharmabranche soll so das Loch der Krankenkassen von rund zehn Milliarden Euro 2011 gestopft werden - Zusatzbeiträge gibt es weiter bei einzelnen Kassen. Die Kassenmitglieder und deren Arbeitgeber müssen wegen der Anhebung um 0,6 Punkte je 0,3 Prozent vom Bruttolohn mehr zahlen.

Künftig sollen die Unternehmen aber verschont bleiben. Für alle vom Gesundheitswesen zusätzlich verschlungenen Milliarden bekommen ab 2012 die Versicherten und Steuerzahler die Rechnung allein. Von Kasse zu Kasse unterschiedliche pauschale Zusatzbeiträge können dann jährlich steigen - unbegrenzt.

Für Gut- und Geringverdiener fallen die Pauschalen gleich aus. Letztere bekommen einen Sozialausgleich. Opposition und Sozialverbände wettern dennoch: Ungerecht sei das - "der Einstieg in die Kopfpauschale", wie Annelie Buntenbach vom Deutschen Gewerkschaftsbund meint.

"Wir haben das Ziel, diese Zusatzbeiträge sozial gerecht zu gestalten", beteuert Rösler. Wolfgang Schäubles Finanzressort zeigte aber schon Grenzen auf: Viele Milliarden für den Ausgleich sind in Zeiten der Schuldenbremse nicht in Sicht.

Laut Regierung soll der Zusatzbeitrag 2012 im Schnitt fünf Euro betragen, 2016 zwischen zehn und 16 Euro. Der Ausgleich soll erst ab 2015 Steuergeld an die Kassen nötig machen. Mehr als zwei Prozent seines Einkommens soll man für die Zusatzpauschale aber nicht berappen müssen. Wird der Wert überschritten, bekommen die Kassen das restliche Geld aus dem Steuertopf.

Verbraucherschützer Stefan Etgeton kritisiert: "Die Gutverdiener sind die Gewinner." Eine Pauschale belaste jemanden mit 3.000 Euro weniger als einen mit 1.000. "Geringverdiener werden anteilsmäßig stärker belastet, bis der Sozialausgleich greift." Dann verschiebe sich die stärkere Belastung auf diejenigen mit Einkommen knapp über der Grenze.