Kommentar: Atomkraft ist kein Heilsbringer

Wo Atomkraft ins Spiel kommt, ist ideologische Verbohrtheit nicht weit.

Düsseldorf. Es wäre lächerlich, handelte es sich nicht um ein bitteres Thema: Ausgerechnet der weltweit größte Treibhaus-Heizer Amerika wirft Deutschland vor, mit dem Atomausstieg unverantwortlich zu handeln. Ausgerechnet das Land, das sich allen Klimaschutz-Zielen widersetzt, will Deutschland als Belzebub der Energiekrise und Erderwärmung an den Pranger stellen.

George W. Bush vollzieht auf dem G8-Gipfel ein Ablenkungsmanöver, das nur ein Ziel hat: das eigene Image als Schmutzfink weiterzureichen. Dabei nutzt Bush die Hysterie angesichts explodierender Energiekosten. In ihrer Hilflosigkeit erscheint vielen Staaten die Atomkraft nun als verheißungsvolle Ersatzdroge, die sie von der Sucht nach Erdöl befreit.

Wie wechselhaft die Kernenergie doch immer wieder die Gesinnungen spaltete: Galt sie bis in die frühen 1970er Jahre als Fortschrittsgarant, wandelte sie sich durch Tschernobyl und die ungelöste Frage der Endlagerung zum Fluch der Zivilisation. Nun erlebt sie als angebliche Wunderwaffe gegen die Energie- und Klimakrise ihre Rehabilitation.

Eine Konstante bleibt: Wo Atomkraft ins Spiel kommt, ist ideologische Verbohrtheit nicht weit. Wenn nun SPD-Politiker den Ausstieg im Grundgesetz festschreiben wollen, verhalten sie sich genauso irrational wie diejenigen, die davon träumen, alle Probleme durch nukleare Kettenreaktionen zu lösen.

Fest steht, dass Kernkraft auch künftig ein wichtiger Baustein im Energiemix bleiben wird. Doch wollen wir in unserer anschwellenden Atom-Euphorie den Schurkenstaaten wirklich noch die Kernspaltung verbieten? Und wollen wir Tschernobyl vergessen? Wollen wir ausblenden, dass Atommüll noch in 100 000 Jahren radioaktiv strahlt?

Wer Wege aus der Krise sucht, muss über regenerative Ressourcen genauso reden wie über Kernkraft. Vor allem aber muss er über die Verschwendungssucht der Industrieländer reden, darüber, dass die Welt ohne Energie-Entziehungskuren auf eine Katastrophe zusteuert.

Die Regierungschefs der G8-Staaten sollten sich ihren Verstand nicht durch alte Atom-Träume vernebeln: Die Verknappung der Energie wird die Weltwirtschaft zwangsläufig umkrempeln - und damit den Lebensstil jedes einzelnen Menschen.