Ältere Arbeitslose: Wie ein Sechser im Lotto
Der 56-jährige Jürgen Thofondern hat einen neuen Job. Von der Debatte um das Arbeitslosengeld I hält er nicht viel.
<strong>Viersen. Den 26. Juni 2007 wird Jürgen Thofondern für den Rest seines Lebens nicht vergessen. An diesem Dienstag kam der 56-Jährige nach rund anderthalb Jahren Arbeitslosigkeit wieder in Lohn und Brot. "Das war wie ein Sechser im Lotto", sagt der Viersener, der immer noch überglücklich ist über diese neue Chance. Zwischendurch hatte er fast aufgegeben - mit über 50 noch einmal einen Job finden, unmöglich. Rund 50 Bewerbungen schickte er los, zu gerade einem Vorstellungsgespräch sei er eingeladen worden. "Irgendwann werden sie depressiv", berichtet er. Wäre nicht seine Frau gewesen, die ihm immer wieder gesagt habe "Jürgen, nicht aufgeben" - er hätte es wahrscheinlich getan.
Kündigung nach mehr als 25 Jahren Betriebszugehörigkeit
Thofondern arbeitete zuvor in einem Textilbetrieb am Niederrhein. 1978 fing er dort als Hilfsarbeiter an, arbeitete sich hoch, qualifizierte sich und machte seinen Industrie-Meister Textil. Anfangs war er in der Produktion tätig, später Ausbildungsleiter in dem Betrieb. Das Leben war geregelt, die Zukunft schien sicher.
Dann kam das Jahr 2003 - Thofondern wollte eigentlich seine 25-jährige Betriebszugehörigkeit feiern. Doch die Firma meldete Insolvenz ein. "Die Ehrung hat noch stattgefunden, die Feier ist ausgefallen." Noch zwei Jahre arbeitete er weiter, kurz vor Weihnachten 2005 kam dann das Aus. Große Teile der Produktion wurden ins Ausland verlagert, für den 54-Jährigen gab es keine Arbeit mehr. "Wenn sie in das Büro des Geschäftsführers gehen und der ihnen kündigt, dann ist das, als ob ihnen der Boden unter den Füßen weggezogen wird."
Thofondern fiel noch unter die alte Regelung, wonach er Anspruch auf 26 Monate Arbeitslosengeld I hatte. Nur einen Monat später, im Februar 2006 wurde die Bezugsdauer auf höchstens 18 Monate verkürzt. Die Debatte um das Arbeitslosengeld I geht für Thofondern aber an der Wirklichkeit vorbei. "Egal, wie lange sie Anspruch auf das Arbeitslosengeld I haben, sie haben die Gefahr, in Hartz IV abzurutschen, immer im Hinterkopf. Das bringt sie fast um."
Und er hat die Erfahrung gemacht, dass die meisten älteren Arbeitnehmer schnell wieder einen neuen Job haben wollen. "Sie wollen auch nicht in die Frührente, weil sie dann Abschläge in Kauf nehmen müssen. Sie wollen vielmehr etwas für die Rente tun." Für viel wichtiger hält Thofondern daher, dass älteren Menschen ermöglicht werde, wieder zu arbeiten. Sinnvoll sei beispielsweise der Eingliederungszuschuss, den seine neue Firma von der Bundesagentur für Arbeit erhalte. Sie übernimmt für ein Jahr 30 Prozent des Lohns.
Studie Laut Bundesagentur für Arbeit profitieren ältere Arbeitslose derzeit überdurchschnittlich vom Wirtschaftsaufschwung. Als Grund wird genannt, dass durch die Verkürzung der Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I Frühverrentungen für Arbeitgeber unattraktiver sind. Zudem nutzten Betriebe wegen des Fachkräftemangels das Potenzial älterer Arbeitsloser.
NRW In NRW lag die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten über 55 Jahre im Dezember 2006 bei rund 653000 - rund 37000 oder sechs Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Im September dieses Jahres waren rund 200000 Personen über 50 arbeitslos gemeldet - rund 16000 weniger als im Juni.