Analyse: Türken scheitern auf dem Arbeitsmarkt

Das Dilemma vieler Migranten ist: Ohne Bildung keine Jobs - und ohne Jobs keine Integration.

Düsseldorf. Integrationsminister Armin Laschet verbreitet Optimismus. Es gebe keinen Hinweis auf Parallelgesellschaften, behauptet der Christdemokrat, die Nachfolge-Generation sei "zunehmend besser integriert" als die erste Generation.

Jenseits der rosa Wolken einer beschönigenden Regierungs-PR liest sich die Umfrage des Essener Zentrums für Türkeistudien pessimistisch. Das Fazit vorweg: Der Wille zur Integration ist da, wirtschaftlich jedoch driften viele Migranten ins Abseits. Alarmierend ist, dass die Zahl der türkischstämmigen Vollzeitbeschäftigten in Nordrhein-Westfalen drastisch abnimmt. Die Haushaltseinkommen sinken, die Erwerbslosenquote steigt - fast die Hälfte der Familien lebt unter der Armutsgrenze.

Die Migranten werden zu Opfern eines rasanten Strukturwandels. An die Stelle einer industriell geprägten Realität tritt die Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft, in der es Arbeit für Hochqualifizierte gibt, Geringqualifizierte jedoch leer ausgehen. Weil aber auch viele Migranten der zweiten und dritten Generation im Bildungssystem scheitern, wächst deren Risiko, langfristig vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen zu bleiben. Nur jeder zweite verfügt über eine Ausbildung, und das Vertrauen in die eigenen Deutschkenntnisse ist gering. Von den 1000 Befragten der Studie schätzen die Hälfte ihre Sprachfähigkeiten als nur "mittelmäßig oder schlecht" ein.

Um das Entstehen einer breiten Unterschicht zu verhindern, müssten Migranten in Schule und Ausbildung besser gefördert werden, warnt denn auch das Zentrum für Türkeistudien.

Verschärft wird der Bildungsnotstand durch die wachsende Zahl von Heiratsmigrantinnen, die ohne Sprachkenntnisse und ohne Ausbildung nach Deutschland strömen.

Dass Zuwanderer nur durch Jobs einen wirtschaftlichen und kulturellen Zugang zu dem Land finden, in dem sie leben, zeigen die Erfahrungen aus klassischen Einwanderungsländern. Im Sog eines Jahrzehnte dauernden industriellen Booms gelang den USA die Integration von Ausländern im 19. und 20. Jahrhundert in der Regel nach zwei Generationen - der Arbeitsmarkt nahm die Masse der ungelernten Kräfte auf. In der Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts hingegen gerät dieser Integrationsmotor nicht nur ins Stottern, er sortiert auch gnadenlos aus.

Politik Nur ein Viertel kennt das NRW-Integrationsministerium. Nur wenige sehen politische Organisationen als Vertreter ihrer Interessen.

Einbürgerung Der feierlichen Gestaltung des Einbürgerungsakts stehen die meisten skeptisch gegenüber. Nur 39 Prozent glauben an eine positive Wirkung von Informationskampagnen zur Erhöhung der Einbürgerungszahlen.

Integration Mehr als 90 Prozent sehen die Verantwortung für die Verbesserung der Integration sowohl bei den Deutschen als auch bei den Migranten selbst, zwei Drittel der Türken sehen die Zugewanderten noch stärker in der Pflicht.

Gesellschaftliches Klima Nur ein Fünftel schätzt das Klima in Politik und Gesellschaft gegenüber Zugewanderten als gut oder eher gut ein.