Bahn-Chef Mehdorn indirekt als Nazi beschimpft

Eklat: Verwaltungsdirektor der jüdischen Gemeinde Düsseldorf bekommt nach skandalträchtiger Rede Rückendeckung.

Düsseldorf. Der Verwaltungsdirektor der jüdischen Gemeinde in Düsseldorf, Michael Szentei-Heise, hat Bahn-Chef Hartmut Mehdorn mit NS-Funktionären verglichen. Bei einer Rede in Düsseldorf bezeichnete er ihn als "aktuelle Führungsperson der neuen Reichsbahn" und behauptete, Mehdorn hätte im Dritten Reich womöglich dieselben Entscheidungen über Deportationen getroffen wie damals seine "Vorgänger".

Gestern bekräftigte Szentei-Heise seinen Angriff auf Bahn-Chef Hartmut Mehdorn. "Ich wusste, was ich sage", erklärte er gegenüber unserer Zeitung. "Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil." Anlass für die drastischen Worte: Die Bahn kassiert vom "Zug der Erinnerung", einer fahrenden Ausstellung zur Geschichte der Deportation, Gebühren für die Gleisnutzung, 100000 Euro insgesamt.

Der jüdische Landesverband stellte sich voll hinter Szentei-Heise. Es sei "politisch ein Skandal", dass die Deutsche Bahn diese Kosten nicht übernehme, sagte auch Ulrich Lilie, Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Düsseldorf. Er verstehe die Empörung über das Verhalten der Bahn, finde die Aussagen Szentei-Heises aber "nicht in Ordnung". Auch Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrates der Juden, nannte die Wortwahl auf Anfrage "daneben", teilte die Kritik aber inhaltlich.

Es sind stets zwei Quellen, aus denen sich die schiefen Nazi-Vergleiche speisen: Rhetorische Hilflosigkeit beim Ausdruck der Empörung, oder ein kalkulierter Tabubruch, um ein größtmögliches Echo auszulösen. In beiden Fällen wird der industriell betriebene Massenmord von Auschwitz relativiert, und seine werden Opfer verhöhnt.

Dieser Missbrauch des Holocaust wird nicht lässlicher, wenn er von einem Mitglied der jüdischen Gemeinschaft begangen wird. Die ungeheuerliche Unterstellung gegen Bahnchef Hartmut Mehdorn, dieser hätte in gleicher Funktion im Dritten Reich die Deportation der Juden in die Vernichtungslager ebenso angeordnet wie seine Vorgänger, geht sogar noch weiter als viele Vergleiche zuvor. Der Verwaltungsdirektor der jüdischen Gemeinde in Düsseldorf stempelt Mehdorn zum potenziellen NS-Täter - wenn dieser nur die Gelegenheit dazu gehabt hätte. Und statt sich einen Tag später in aller Form zu entschuldigen, bekräftigt Szentei-Heise diesen Ausfall auch noch.

Da hilft ihm auch nicht, dass er zu Recht Hartmut Mehdorn zürnt. Natürlich hätte die Bahn die rollende Ausstellung "Zug der Erinnerung" kostenlos auf Deutschlands Bahnhöfen zeigen lassen müssen. Und offensichtlich wollte der Bahn-Chef mit der Gebühren-Keule die Aufarbeitung des dunkelsten Kapitels der Bahn-Geschichte möglichst wirkungsvoll ausbremsen. Das ist ein Skandal, und Michael Szentei-Heise hätte gut daran getan, ihn schlicht als solchen zu benennen.