Interview mit Landesministerin für Heimat, Kommunales, Bauen und Gleichstellung CDU-Ministerin Scharrenbach sieht für Mietpreis-Bremse keine Zukunft

NRW-Ministerin Ina Scharrenbach (CDU) über den Zuschnitt ihres Hauses, Sicherheit im öffentlichen Raum und die Frauenquote.

Düsseldorf. Am Ende des Gesprächs lässt Ina Scharrenbach noch ein Foto für ihren Facebook-Auftritt machen. „Ich brauche ja einen Tätigkeitsnachweis“, sagt die 40-Jährige und lacht. Der neuen CDU-Landesministerin für Heimat, Kommunales, Bauen und Gleichstellung liegt die Präsenz in den Sozialen Medien am Herzen — als ein Weg, um Politik noch zu vermitteln.

Foto: Sergej Lepke

Frau Scharrenbach, was bedeutet Heimat für Sie persönlich?

Ina Scharrenbach: Heimat ist für mich meine Stadt Kamen, wo ich herkomme, großgeworden bin und meine Freundinnen und Freunde habe.

Und woran merken die Wähler in NRW, dass es jetzt ein Heimatministerium gibt?

Scharrenbach: Daran, dass wir den Begriff Heimat gemeinsam mit möglichst vielen neu definieren wollen. Wir wollen in den nächsten fünf Jahren aufarbeiten, was die Regionen und Eigenarten, das Brauchtum und die Räume ausmacht in NRW. Deshalb hat das Ministerium einen spannenden Zuschnitt.

Wie kann dieser Titel konkret in die Städte hineingetragen werden?

Scharrenbach: Wir haben sechs Bund-Länder-Förderprogramme in der Städtebauförderung, die auch heute schon Heimat bestärken und erhalten. Wir werden als neue Landesregierung auch einen Fokus auf die Denkmalförderung legen und das, was die Vorgängerregierung zurückgedreht hat, wieder nach vorne drehen. Und es läuft schon das Projekt „Stadt - Land - Text“, bei dem Regionenschreiber die Besonderheiten der Regionen erfassen.

Gibt es ein besonderes politisches Bedürfnis, den Heimatbegriff so in den Vordergrund zu stellen?

Scharrenbach: Sonst hätten wir es nicht gemacht. In dem Maße, in dem die Welt komplexer und für die Menschen immer weniger nachvollziehbar wird, brauchen sie etwas, das sie überschauen können, das ihnen Halt gibt. Darum ist das Heimatgefühl so wichtig.

Ihr Ministerium wirkt wie ein Gemischtwarenladen: Kommunales vom Innenministerium, Bauen vom Verkehrsministerium, Gleichstellung vom Gesundheitsministerium. Ist Ihr Haus schon arbeitsfähig?

Scharrenbach (lacht): Ja, das ist es. Das Spannende ist zu sehen, wie gut rund 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus drei Ministerien jetzt zusammenwachsen. Städtebau und Kommunales passen hervorragend zueinander, weil Sie dadurch neue Formen des Zusammendenkens entwickeln können. Und das Thema Gleichstellung lässt sich mit ganz vielem verknüpfen. Wenn Sie etwas aus Frauensicht betrachten, kommen Sie zu ganz anderen Lösungen. Heimat schließlich ist die Brücke zwischen allem.

Können Sie ein Beispiel für die spezielle Frauensicht nennen?

Scharrenbach: Eine Frau geht anders durch einen öffentlichen Raum, das hängt schon allein mit ihrer Statur zusammen. Das kann Auswirkungen auf die kommunale Stadtgestaltung haben - und auf unsere Städtebauförderprogramme. Wie gewichten wir zum Beispiel das Thema Sicherheit? Heute wird es in Integrierten Handlungskonzepten noch freiwillig behandelt — wir wollen es künftig verpflichtend machen. Dadurch müssen sich Verwaltung und Stadtrat mit dem Thema beschäftigen. So wird eine Diskussion in die ganze Stadt getragen.

Waren Sie eigentlich enttäuscht, dass Sie nicht Innenministerin geworden sind?

Scharrenbach: Die Journalisten haben mich ja für vieles gehandelt: Finanzen, Familie, Inneres — und jetzt ist es etwas ganz anderes geworden. So ist das manchmal (lacht auf).

Seit wann wussten Sie überhaupt, dass Sie dieses Ministerium übernehmen?

Scharrenbach: Seit dem 28. Juni, einen Tag nach der Wahl von Armin Laschet zum Ministerpräsidenten.

Ihren Fraktionsvorsitz im Kamener Stadtrat mussten Sie jetzt niederlegen und auf das Ratsmandat verzichten. Aber Sie kennen das kommunale Klagelied gut, dass zusätzliche Aufgaben nicht immer mit den nötigen Finanzen einhergehen. Was wollen Sie besser machen?

Scharrenbach: Das Land hat gegenüber den Kommunen die Verantwortung für einen angemessenen Finanzausgleich. Wir beschäftigen uns gerade mit der Gemeindefinanzierung 2018 und da müssen wir die Weichen entsprechend stellen oder auch verändern.

Auf den Kommunal-Soli wollen Sie ja schon verzichten.

Scharrenbach: Die reich gerechneten Kommunen werden wir von diesem Kommunal-Soli entlasten. Er war ja ein Anhängsel des Stärkungspaktfonds, und der läuft unverändert weiter. Der Kommunal-Soli wird ersatzlos entfallen und die Stärkungspaktkommunen erhalten unverändert die Hilfen.

In der vergangenen Woche haben Sie ein Moratorium für das Inkrafttreten der neuen Landesbauordnung angekündigt. Wo sind aus Ihrer Sicht die Knackpunkte?

Scharrenbach: Die Fristen sind jetzt erst einmal um zwölf Monate verschoben. Bis Oktober 2018 werden Bauanträge noch nach altem Recht genehmigt. Der Koalitionsvertrag enthält viele Punkte zur Landesbauordnung. Für mich gilt da Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Zum Beispiel müssen wir uns auch noch mal angucken, ob wir es in das Belieben jeder Kommune stellen, bei Neubauten Stellplätze über eigene Satzungen zu regeln. Denn die Autos werden nicht weniger. Gleiches gilt für Planungs- und Genehmigungsverfahren. Die Kanzlerin hat ja in ihrem Sommerinterview deutlich gemacht: Das Geld ist da, aber wir kriegen es nicht in Steine umgesetzt. Das ist in NRW derzeit nicht anders.

Haus & Grund jubelt schon. Ist das Ihr Ziel? Die Kritik lautet, dass durch das Moratorium der Ausbau behindertengerechter Wohnungen gebremst wird.

Scharrenbach: Das kann ich Ihnen noch nicht sagen. Was ich aber sagen kann, ist, dass die Menschen immer älter werden. Und die Leitlinie gilt, so lange wie möglich selbstbestimmt zu Hause leben zu können. Das erfordert natürlich, dass sich Wohnungen an die Erfordernisse älterer und behinderter Menschen anpassen. Das werden wir bei allen Entscheidungen einbeziehen und deswegen sind Gespräche mit den Interessenverbänden terminiert.

Statt auf die Mietpreisbremse setzen Sie auf verstärkten Wohnungsbau. Glauben Sie, dass das so schnell wirkt?

Scharrenbach: Ich habe in der vergangenen Woche einen zeitlich abgestuften Maßnahmenkatalog angekündigt und der befindet sich in Arbeit. Wir werden nicht einfach nur Verordnungen abschaffen, sondern alles wird eingebettet in ein Gesamtkonzept.

Also könnte die Mietpreisbremse in anderer Form überleben?

Scharrenbach: Eher nicht.

Aber der Mieterschutz findet weiter Berücksichtigung?

Scharrenbach: Der findet immer Berücksichtigung. Sie haben in Deutschland ein Mieterrecht, das in NRW aber durch viele Verordnungen Begleitung gefunden hat. In Köln gelten beispielsweise die Kappungsgrenzenverordnung, die Mietpreisbremse und die Kündigungssperrfrist, aber all das hat nicht dazu geführt, dass sich die Erst- und Wiedervermietungsmieten stabilisiert hätten.

Früher führte das Ministerium Emanzipation im Titel, jetzt Gleichstellung. Der Grund dafür?

Scharrenbach: Wir wollen den Gleichstellungsbereich zu einem Diversity Management (Nutzung sozialer Vielfalt) weiterentwickeln. Der Begriff Emanzipation kommt aus einer frühen Zeit, der ich mich nicht so verbunden fühle. Gleichstellung ist als Begriff für den Abbau von Unterschieden zwischen Männern und Frauen wesentlich aktueller.

Sie sind Befürworterin der Frauenquote.

Scharrenbach: Am besten funktioniert es ohne Gesetz und am besten in der Verteilung 50:50. Die Frauenquote von 40 Prozent ist im Landesgleichstellungsgesetz hinterlegt und sie gilt für die Landes- wie für die kommunale Ebene. Aber dort sind noch zu wenige Frauen in leitenden Funktionen zu finden und weiter dicke Bretter zu bohren. Wir werden überprüfen müssen, woran das liegt.

Was sind Ihre vier wichtigsten Themen in den nächsten Wochen?

Scharrenbach: Die Gemeindefinanzierung 2018 und in Verbindung damit das Stärkungspaktfondsgesetz, das Thema Heimat, die Präsenz unseres Hauses in den Sozialen Medien und die Umsetzung des Moratoriums zur Landesbauordnung.

Und was wollen Sie in fünf Jahren erreicht haben?

Scharrenbach: Ich hoffe, dass die kommunale Familie mit der Finanzausstattung zufriedener ist. Ich hoffe, dass wir es hinbekommen, Wohnungsmärkte zu entspannen und eine Stabilisierung der Mieten hinzubekommen. Und ich hoffe, dass wir die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Männer vorangebracht haben. Zu dem Thema werden wir auch eine Landeskoordinierungsstelle schaffen. Bisher kommen nur sieben Prozent aller Sexualdelikte zur Anzeige. Das ist deutlich zu wenig.