Interview Innenmister Reul verspricht endgültiges Aus für Blitzmarathons in NRW

Der neue NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) über den Hamburger Einsatz, seine neue Aufgabe und das Verhältnis zur AfD.

Foto: Judith Michaelis

Herr Reul, wie kam es, dass Armin Laschet Sie zum Innenminister machte und damit für die wohl größte Überraschung im Personal-Tableau seines Kabinetts gesorgt hat?

Wird es künftig nicht mehr in konzentrierter Form geben: Nordrhein-Westfalen schafft die Blitzmarathons ab.

Foto: dpa

Herbert Reul: Im Gespräch waren und sind Armin Laschet und ich ja immer. Aber das Angebot kam dann an dem Samstagabend vor seiner Wahl zum Ministerpräsidenten. Da war ich gerade auf dem Weg zur Oper in Wuppertal.

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Sie sind ausgewiesener Europapolitiker, aber kein Innenexperte. Warum also fiel die Wahl auf Sie?

Reul: Es ging Armin Laschet darum, beim Thema Innere Sicherheit, das ja eines der wichtigsten ist, einen politisch erfahrenen Mann zu haben, der die Ruhe behält — auch wenn es mal unruhiger wird. Für mich ist das eine wichtige und reizvolle Aufgabe und eine Ehre.

Die Krawalle von Hamburg fielen zwar nicht in Ihre Zuständigkeit. Aber es waren ja auch 2200 nordrhein-westfälische Polizisten im Einsatz. Also war das doch gleich auch ein dickes Thema für den NRW-Innenminister.

Reul: Ich habe gerade heute einige dieser Einsatzkräfte getroffen und mich persönlich bei ihnen bedankt.

Und die bekommen jetzt erst mal drei Tage Sonderurlaub.

Reul: Ja. Und zwar aus zwei Gründen: Sie waren wirklich über Gebühr körperlich beansprucht, zwölf bis 16 Stunden am Stück im Einsatz. Und es soll auch ein Signal an die Polizisten sein: dass sie eine gute Arbeit machen. Es ist wichtig, dass die Sicherheitskräfte wissen, dass ihre Arbeit wertgeschätzt wird und dass sie Rückendeckung bekommen.

Es gab aber auch Vorwürfe gegen Polizisten wegen der Art der Einsatzführung.

Reul: Jetzt schon aus der Ferne zu beurteilen, was richtig oder falsch gelaufen ist, das mache ich nicht. Das machen andere Schlaumeier, von denen es schon genug gibt. Es war ein hochkomplexer Einsatz, den die Polizei in dieser Form wohl noch nie hatte. Das haben mir jedenfalls die Beamten gesagt, mit denen ich gesprochen habe.

Welche Erkenntnisse haben Sie noch über Ihre Gespräche mit den Beteiligten zu dem Einsatz gewonnen?

Reul: Dass friedliche Demonstranten sich bewusst von den Chaoten distanzieren und abgrenzen müssen. Ich finde es unerträglich, dass da auch Menschen rumliefen, die wie Gaffer auf der Autobahn zu-guckten oder sogar störten. Oder den Polizisten zuriefen, sie sollten doch die Leute in Ruhe lassen. Oder die Gewalttäter anfeuerten und sich schließlich sogar selbst an der Gewalt beteiligten.

Hamburg ist SPD-regiert. Gibt es da nicht die Verlockung für einen CDU-Politiker, zu sagen, die SPD kann Sicherheit nicht?

Reul: Bei dem Thema sollten wir uns bemühen, ein möglichst großes Maß an Gemeinsamkeit zu erreichen. Das Thema ist so gigantisch groß, das sollte man gemeinsam mit möglichst wenig Streiterei angehen. Auch das hilft dabei, den Einsatzkräften zu zeigen: Die Politik steht hinter euch.

Es gibt eine Kommission in NRW — in der sitzen neben anderen Wolfgang Bosbach (CDU) und Gerhart Baum (FDP) — die sich Gedanken über die Innere Sicherheit macht. Wie kann man sich das Zusammenspiel dieser Kommission mit Ihnen als dem zuständigen Innenminister vorstellen?

Reul: Die Kommission ist eingesetzt, um zu überlegen, wie eine neue, bessere Sicherheitsarchitektur in Zukunft aussehen könnte. Ich muss mich um das Tagesgeschäft kümmern. Vielleicht kommt das irgendwann zusammen.

Und was machen Sie als Erstes, um die Sicherheit zu schärfen?

Reul: Mir ist es wichtig, dass die Arbeitsbedingungen in den NRW-Sicherheitsbehörden verbessert werden. Das bezieht sich auf das Personal und auf die Ausstattung. Bei der NRW-Polizei haben wir uns jetzt erst mal vorgenommen, künftig 2300 Beamte im Jahr einzustellen. Außerdem sind 500 Verwaltungsassistenten für die Polizei geplant.

Und was tun diese Assistenten dann?

Reul: Die sollen die Polizisten entlasten. Bei Verwaltungsarbeiten, aber möglicherweise auch noch in anderen Bereichen. Das müssen wir noch prüfen.

Muss ein Polizist immer Abitur haben oder könnte man den Bewerberkreis auf Realschüler ausweiten?

Reul: Die Idee finde ich gut. Realschüler haben eine sehr ordentliche Qualifikation. Auch das muss geprüft werden.

Bedauern Sie, dass Ihr Ministerium mit dem Regierungswechsel Kompetenzen abgeben musste? Die Zuständigkeiten für Kommunales und Flüchtlinge sind jetzt in anderen Häusern.

Reul: Es ist gut, dass wir uns im Innenministerium jetzt auf Sicherheitsfragen konzentrieren können. Das ist bei diesem wichtigen Thema richtig. Und es kommt den anderen Themen zugute. Nehmen Sie etwa die Neuordnung der Kommunalfinanzen. Auch das ist ein sehr schwieriger Job. Den macht man nicht nebenbei.

Ist der von Ihrem Vorgänger Ralf Jäger (SPD) eingeführte Blitzermarathon endgültig Geschichte? Auch wenn andere Bundesländer damit weiter machen?

Reul: Das Thema ist durch. Ich sehe da keine Handlungsnotwendigkeit.

Sie haben gesagt, dass Sie dann erfolgreich sind, wenn sich die Sicherheitslage und das Sicherheitsgefühl der Bürger in den nächsten fünf Jahren verbessern. Aber etwa bei Taschendiebstählen oder Einbrüchen ist die Aufklärungsquote schlecht. Was lässt sich da tun?

Reul: Nicht alle Probleme werden allein durch mehr Polizisten gelöst. Aber nehmen Sie das Beispiel Taschendiebstahl. Die sicherste Maßnahme dagegen ist, die Anzahl der Fälle zu reduzieren. Da kann jeder Einzelne viel dazu tun, seine Habe zu sichern. Ebenso beim Einbruchsdiebstahl. Da ist Aufklärung wichtig.

An den beiden Plenumstagen in dieser Woche im Landtag fiel auf, dass die 16-köpfige AfD-Fraktion oft mit der Regierungsmehrheit gestimmt hat. Und auch den Unionspolitikern bei deren Reden applaudierte. Umgekehrt war das aber nicht so, wenn ein AfDler ganz im Sinne von Schwarz-Gelb sprach. Ist die Zustimmung der AfD für Sie so etwas wie eine ungewollte Umarmung?

Reul: Dass jemand die gleiche Meinung hat wie Sie, das können Sie nicht verhindern. Wir wollen mit diesen Typen nichts zu tun haben. Mein Interesse ist, dass die demnächst nicht mehr im Parlament sitzen. Und wenn wir gute Arbeit machen, geht denen ein Themenfeld nach dem anderen verloren. Solche Leute dürfen keinen Stoff mehr finden, aus dem sie Stimmung machen können. Oder sie müssen dann eine so extreme Position beziehen, dass sie sich selbst ins Abseits stellen.