NRW Christina Schulze Föcking: Rücktritt nach einem Jahr der Fehler

Christina Schulze Föcking ist nicht mehr Ministerin. Aber die Opposition legt das Thema nicht zu den Akten. Ein U-Ausschuss ist immer noch möglich.

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Düsseldorf. Es ist viertel nach zwei, als Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) den serbischen Staatspräsidenten Aleksandar Vucic vor die Tür der Staatskanzlei begleitet und den Gast vom roten Teppich aus bei dessen Abfahrt winkend verabschiedet. Wenige Minuten sind da gerade verstrichen, seit SPD und Grüne im nahen Landtag erklärt haben, dass ein anderer Abschied des Tages sie nicht ruhen lassen wird. Ihre Fragen richten sich jetzt nicht mehr an die am Morgen zurückgetretene Umwelt- und Landwirtschaftsministerin Christina Schulze Föcking (CDU), sie richten sich inzwischen an den Ministerpräsidenten selbst.

Am Mittwoch ab 14.55 Uhr soll Laschet in einer Fragestunde den Landtagsabgeordneten Auskunft geben, aufgrund welcher Faktenlage Regierungssprecher Christian Wiermer am 16. März die Öffentlichkeit über vermeintliche Erkenntnisse der Ermittler informierte, wonach es einen Hackerangriff auf die Familie Schulze Föcking gegeben habe. Und wann der Ministerpräsident erfahren habe, dass die Staatsanwaltschaft Köln nicht von einem Hackerangriff ausgeht.

Sollten die Auskünfte nicht zur Zufriedenheit der Opposition ausfallen, drohen die Fraktionsvorsitzenden Thomas Kutschaty (SPD) und Monika Düker (Grüne) weiter mit einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Die entsprechenden Eckpunkte für den Antrag liegen in der Schublade; die Beschlüsse in den Fraktionen von SPD und Grünen sind nur ausgesetzt, um die Reaktionen der Landesregierung auf den Rücktritt der Ministerin abzuwarten. Um den Ausschuss im Plenum Mitte Juni beschließen zu können, muss er bis Anfang Juni beantragt worden sein.

Kutschaty wiederholt die alte Batterie der Vorwürfe, die Schulze Föcking durch ihr erstes und zugleich letztes Amtsjahr begleitet haben: die Kritik am Zustand der Schweinemast auf dem Hof ihrer Familie; die Auflösung der Stabsstelle Umweltkriminalität in ihrem Ministerium; der vermeintliche Hackerangriff auf ihr Privathaus; vor allem aber die verzögerte Informationspolitik darüber, dass es eben kein Hackerangriff war.

Als die 41-Jährige am Morgen vor dem Fraktionssaal der CDU den Satz sagt: „Deshalb trete ich von meinem Amt als Ministerin zurück“, bezieht sie sich aber mit keiner Silbe auf diese Vorwürfe und etwaige Fehler in ihrer Amtsführung oder ihrem Amtsverständnis. Stattdessen bekräftigt sie: „Ich stehe auch heute zu allen inhaltlichen Entscheidungen, die ich in diesem Amt getroffen habe.“ Als Grund für ihren Rücktritt führt sie allein an, sie habe in den vergangenen Monate und Wochen „Drohungen gegen meine Person, meine Gesundheit und mein Leben erfahren, die ich nie für möglich gehalten hätte und die das Maß des menschlich Zumutbaren weit überschritten haben“.

Wenige Minuten später verlässt Armin Laschet den Fraktionssaal, um Schulze Föcking seinen Respekt zu bekunden und die Sichtweise der jetzt schon Ex-Ministerin zu bekräftigen: Sie habe ihm Screenshots der anonymen Drohungen gezeigt. „Ich habe in meinem politischen Leben so persönliche Attacken noch nie erlebt, wie sie sie in den letzten Wochen erlebt hat.“ Zur Nachfolgeregelung sagt er nichts.

Abgeordnete will Schulze Föcking auch nach ihrem Rückzug aus dem Kabinett bleiben. Seit 2010 vertritt sie als direkt gewählte Abgeordnete den Wahlkreis Steinfurt im Landtag. Aber ihr Ausflug in die Ministerriege steht von Beginn an unter keinem guten Stern. Als zum Wochenwechsel landauf, landab in den Medien Bewertungen des Kabinetts nach dem ersten Jahr Schwarz-Gelb erscheinen, unterscheiden sich die Bewertungen zum Teil gravierend. Aber in ihrem Fall zeigen die Daumen und Pfeile immer nach unten. Nach einer am Sonntag veröffentlichten Wählerbefragung im Auftrag des WDR-Magazins „Westpol“ galt sie zuletzt als das bekannteste und zugleich unbeliebteste Kabinettsmitglied in NRW.

„Nicht eine kritische Selbstreflexion“ sei in der Rücktrittserklärung erfolgt, kritisiert Grünen-Fraktionschefin Düker. Bei den tatsächlichen Angriffen auf die Privatsphäre gelte Schulze Föcking weiter ihre uneingeschränkte Solidarität. „Aber die Flucht in die Opferrolle kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es ein verheerendes erstes Amtsjahr dieser Ministerin war.“

„Die im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Ziele zur Stärkung unserer ländlichen Räume bleiben bindend“, reagiert CDU-Generalsekretär Josef Hovenjürgen auf den Rücktritt. Der Landwirt ist selbst einer der denkbaren Nachfolger.