Die Ohrfeige aus Münster
Der Präsident des Verfassungsgerichts NRW, Michael Bertrams, macht die Pläne von Schwarz-Gelb für die Kommunalwahl zunichte. Rüttgers schaltet sich ein.
Düsseldorf/Münster. Als unsere Zeitung am 28. Januar von der drohenden Niederlage der schwarz-gelben Koalition bei der Klage gegen den Kommunalwahltermin am 7. Juni berichtete und exklusiv den 30. August als Plan B nannte, hagelte es noch Dementis: "Der 30. August ist nicht zu machen. Ein separater Wahltermin kostet die Kommunen 42 Millionen Euro und ist nicht darstellbar", sagte damals Peter Biesenbach, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion.
Doch nach der krachenden Niederlage in Münster gilt das nicht mehr: Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) rief am Mittwoch aus den USA an und legte fest: Nun wird doch am 30.August gewählt. Die Alternative, ein gemeinsamer Termin mit der ohnehin angesetzten Bundestagswahl am 27.September, scheut die schwarz-gelbe Koalition.
Das Urteil ließ an Deutlichkeit kaum etwa zu wünschen übrig. In der zwölfminütigen Urteilsbegründung las Mittwochmorgen der Präsident des Landesverfassungsgerichts, Michael Bertrams, den Strategen aus der schwarz-gelben Regierungskoalition die Leviten.
"Verfassungswirklichkeit", "demokratische Grunderfordernis" und "einschlägige Fristvorgaben" - Aussagen wie Peitschenhiebe prasselten auf die Vertreter von Landesregierung und Landtag sowie deren Rechtsvertreter nieder. Bertrams machte eines ganz deutlich: Das Ansinnen, bereits am 7. Juni die Kommunalwahl anzusetzen, verstößt glasklar gegen die Verfassung.
Denn die Frist zwischen der geplanten Wahl und dem Amtsantritt hätte bis zu fünf Monate, mindestens aber vier Monate und 13 Tage betragen, rechnete Bertrams vor. Das aber sei eindeutig zu viel. Zwar gebe es nirgendwo eine gesetzliche Frist für die Ansetzung einer Kommunalwahl, räumte Bertrams ein.
Sie sei jedoch in ihrer Gewichtung mit einer Bundestags-, zumindest aber mit einer Landtagswahl gleichzusetzen. Die bei den Landtagswahlen bundesweit größte Frist gebe es in NRW, und sie liege bei drei Monaten. Mehr gehe aber nicht.
Gegen das Ziel der Landesregierung, die Kommunalwahl perspektivisch mit der Europawahl zusammenzulegen, hatte Bertrams keine Einwände - im Gegenteil. Das habe Verfassungsrang, weil damit eine Erhöhung der Wahlbeteiligung angestrebt und damit "eine Stärkung demokratischer Legitimation angestrebt" werde.
Doch dafür hätte die Wahlzeit der alten Kommunalgremien verkürzt werden müssen. Die läuft im Jahr 2009 erst am 21. Oktober aus. Das will Schwarz-Gelb nun mit Blick auf 2014 angleichen, wie Innenminister Ingo Wolf (FDP) flugs ankündigte. Also wird wohl die Amtszeit der neu zu wählenden Stadt- und Kreisräte von fünf auf viereinhalb Jahre verkürzt.
Nach der mündlichen Verhandlung vor zwei Wochen war das Urteil keine große Überraschung mehr. Der siebenköpfige Senat hatte damals durch seine Fragen keinen Zweifel daran gelassen, dass er das Gesetz der Landesregierung äußerst kritisch sieht.
Umso mehr überraschte eine Meldung des WDR, die Stunden vor der Urteilsverkündung gesendet wurde: Mit 4:3 sei die Entscheidung der Richter äußerst knapp gefallen. "Völlig aus der Luft gegriffen. Wir machen die Voten im Gegensatz zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe nicht öffentlich", wies Ulrich Lau, Sprecher des Landesverfassungsgerichts, die Spekulationen zurück.