Doktortitel: Annette Schavans Kampf um Titel und Ruf

Vor gut einem Jahr trat die Ministerin nach dem Verlust ihres Doktortitels zurück. Nun entscheidet das Verwaltungsgericht.

Foto: dpa

Düsseldorf. Ginge es um eine Straftat, hätte Annette Schavan (58) schon einen Mord begehen müssen, um dafür 33 Jahre später noch belangt zu werden. Doch das Promotionsrecht kennt keine Verjährung. Und so kostete der Vorwurf der Schummelei bei ihrer Doktorarbeit, die sie — 24 Jahre jung — 1980 eingereicht hatte, Schavan mit 33 Jahren Verspätung Titel, Amt und Reputation.

An diesem Donnerstag (20.3.), gut ein Jahr nach ihrem Rücktritt und Ausscheiden aus der Bundesregierung, wird Schavans Klage gegen den Entzug des Doktortitels in Düsseldorf vor Gericht verhandelt.

Nach CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg war die CDU-Politikerin Schavan das zweite Kabinettsmitglied, das Kanzlerin Angela Merkel (CDU) durch eine Plagiats-Affäre verlor. Die Nachricht, dass der Fakultätsrat der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf den Doktorgrad aberkannt hat, erreichte Schavan im Februar 2013 während einer Dienstreise in Südafrika. Nach ihrer Rückkehr und einer Unterredung mit der Kanzlerin, die ihr in den Monaten zuvor mehrfach das „volle Vertrauen“ zugesichert hatte, trat Schavan zurück.

Inzwischen ist für die einstige Merkel-Vertraute eine Anschlussverwendung gefunden: Die engagierte Katholikin soll mit dem Segen der neuen Bundesregierung deutsche Botschafterin am Vatikan werden. Doch inzwischen wird sogar öffentlich diskutiert, ob Schavan für dieses Amt ausreichend qualifiziert ist. Der Personalrat des Auswärtigen Amts kritisiert die Berufung der Ex-Bildungsministerin: Schavan fehlten die Eingangsvoraussetzungen für den höheren Auswärtigen Dienst.

Außer dem Doktortitel hatte Schavan keinen akademischen Abschluss erworben — damals war das noch möglich. Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht hat sich für Donnerstag einen Vormittag Zeit genommen, um über den Fall Schavan zu verhandeln. Mit einer Entscheidung wird noch am selben Tag gerechnet. Schavan müsse nicht persönlich erscheinen, sagte eine Gerichtssprecherin. Sie werde auch nicht kommen, teilte ihre Anwaltskanzlei auf Anfrage mit.

„Person und Gewissen — Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung“ lautet der Titel der Doktorarbeit, die Schavan das Prädikat „sehr gut“ eintrug. Ihr seien Flüchtigkeitsfehler unterlaufen, aber von einer vorsätzlichen Täuschung könne keine Rede sein, hatte die CDU-Politikerin sich verteidigt. Aus der Union wurde sogar ein Komplott gegen die Bundesministerin unterstellt.

Anonyme Plagiatjäger hatten sich als Schwarm-Intelligenz im Netz verbündet und mit der Webseite „Schavanplag“ den Anfang vom Ende Schavans als Wissenschaftsministerin eingeläutet. „Als Muster lässt sich erkennen, dass die Verfasserin oft vorgibt, Primärquellen zu rezipieren, während sie tatsächlich mit leichten Abwandlungen aus der Sekundärliteratur abschreibt, ohne diese zu nennen“, so das Resümee.

Schavan empfindet den Doktortitel-Verlust weiterhin als Schmach. „Natürlich darf das Ganze nicht zu tiefen Raum in meinem Leben einnehmen. Ich muss das auf Distanz halten, aber an meiner Betroffenheit im Innersten hat sich nichts geändert“, sagte sie. Was geschehen sei, „schadet nicht nur mir, sondern auch der Wissenschaft“.