NRW Eltern wollen Inklusion durch Entschleunigung retten
Bündnis von Elternverbänden gegen Vorgehen des Schulministeriums: Scheitern mit Ansage
Düsseldorf. "Rettet die Inklusion! So darf es nicht weitergehen!" Nicht mehr und nicht weniger fordern die sechs Elternverbände, die sich zu einem Aktionsbündnis zusammengeschlossen haben, das am Dienstag in Düsseldorf vorgestellt wurde. Nach zweieinhalb Schuljahren mit Inklusionsgesetz in Nordrhein Westfalen sei selbige gefährdet, die von der UN geforderte Chancen-Verbesserung der Behinderten in der Gesellschaft nicht eingetreten, die schulische Förderung im Gegenteil schlechter geworden.
Jochen-Peter Wirths, Vorsitzender des Landesverbands NRW der Eltern und Förderer sprachbehinderter Kinder und Jugendlicher stellt drei Gründe dafür fest: „Die Förderung behinderter Schüler in der Regelschule ist meist gering“, da die Klassen zu groß seien und es zu wenig sonderpädagogische Unterstützung gebe, was auch zu einem Niveauverlust für nichtbehinderte Schüler führe. Die Qualität der Förderschulen habe gelitten, weil viele Lehrer ins gemeinsame Lernen abgeordnet und die Klassen zum Teil größer geworden seien. „Eltern schließlich haben vielfach nicht die Wahl zwischen inklusiver und Förderschule, weil letztere geschlossen worden sind.“ Wobei dieAbdeckung unterschiedlich — je nach Förderschultypus — ausfalle und in ländlichen Gebieten dünner sei als in der Stadt.
Unter der aktuellen Situation leiden alle: Schüler, Lehrer und Eltern. Regina Schwarzhoff, Vorsitzende des Elternvereins NRW, erinnert daran, dass das Inklusionsgesetz von Anfang an gegen den massiven Protest von Fachleuten und Eltern durchgeboxt worden sei, die Bedürfnisse der Kinder seien nachrangig behandelt worden, „das ist gewissenlos“. Alles ein Scheitern mit Ansage. Und Johannes Papst vom Vorstand der Landeselternschaft der Realschulen sieht zwar im Einzelfall durchaus gute Ergebnisse, bemängelt aber, dass die Inklusion viel zu schnell und entsprechend mangelhaft umgesetzt worden sei.
Die Eltern, die sich an diesem Tag zusammengefunden haben, haben entweder Kinder, die vor dem Inklusionsgesetz (zum Beispiel vor elf JahrenWirths sprach behinderter Sohn) Förderschulen besucht haben oder die nach „gescheiterten Karrieren“ an Regelschulen den Weg zurück zu Förderschulen gegangen sind. Wie Karsten Bünemann aus Meerbusch, dessen heute zwölfjähriger Sohn Autist ist, in der Regelschule gemobbt wurde und sich erst langsam wieder stabilisiert — seit er vor dreieinhalb Jahren in eine Förderschule für emotional-sozial behinderte Kinder in Gerresheim wechselte, lange Anfahrt inklusive.
Oder Claudia Bourscheidt, deren Sohn eine Lese-Rechtschreibschwäche hat und ebenfalls auf einer Sekundarschule nicht klarkam. Viele Eltern erleben auch, dass überforderte Regelschulen ihnen nahelegen, ihr Kind besser auf Förderschulen zu schicken.
Damit dies anders wird, setzen sich die Eltern für eine Entschleunigung der Inklusion ein, die der Tatsache Rechnung trägt, dass genug Fachlehrer vorhanden sind, was aber Zeit braucht — derzeit ist der Lehrermarkt leer gefegt, die von Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) angekündigte Aufrüstung Zukunftsmusik, die Sonderpädagogen noch Jahre in Ausbildung. Außerdem ist die Zahl der Schüler mit Förderbedarf — vor allem im sprachlichen und im sozial-emotionalen Bereich — gestiegen, wie Wirths betont, seien zugleich die Hürden für Eltern gewachsen, einen Förderbedarf feststellen zu lassen.
Forderung des Bündnisses: „Die flächendeckende Inklusion muss auf eine punktuelle mit konzentrierten Ressourcen und guter Qualität umgestellt werden.“ Jutta Löchner vom Vorstand der Landeselternschaft der Gymnasien unterstützt: „Wir laden auch andere Eltern ein mitzumachen, damit ein Schwung durch NRW geht. und es für die Schüler besser wird.“
Die so kritisierte Schulministerin verweist darauf, dass die schulische Inklusion eine große Herausforderung sei, die erst am Anfang stehe und eine langfristige Aufgabe bleibe. Eltern von Kindern hätten durchaus unterschiedliche Wünsche und Erfahrungswerte. Die Lehrer leisteten eine „großartige Arbeit“. Um den Bedarf an Sonderpädagogen zu decken, schaffe das Land bis 2018 insgesamt 2300 neue Studienplätze, seit 2010 seien rund 1,2 Milliarden Euro in die schulische Inklusion geflossen.