Fachhochschule Gelsenkirchen: Professoren droht Haft
Prozess: Betrug und Bestechung um Fördergelder an der Fachhochschule Gelsenkirchen.
Gelsenkirchen/Bochum. Der ehemalige Prorektor (51) der Fachhochschule (FH) Gelsenkirchen und ein Medizin-Professor (54) aus Mülheim/Ruhr müssen wegen Subventionsbetrugs und Bestechung mit jeweils drei Jahren Haft rechnen. Diese Strafen hat die Staatsanwaltschaft gestern vor dem Bochumer Landgericht beantragt. Die Angeklagten hatten gestanden, zwischen 2002 und 2007 Subventionen in Millionenhöhe beantragt und für andere Projekte zweckentfremdet zu haben. Außerdem soll ein Ministerialbeamter im NRW-Finanzministerium Geld erhalten haben, um Nachforschungen über die wahre Verwendung der Fördermittel zu verhindern. Per Strafbefehl ist er zwischenzeitlich wegen Vorteilsannahme zu einer einjährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung sowie einer Geldauflage in fünfstelliger Höhe verurteilt worden. In den Landesdienst darf er nicht mehr zurückkehren.
"Die Angeklagten haben ein System von Scheinrechnungen und Scheinverträgen installiert, das das staatliche Kontrollsystem ins Leere laufen ließ", sagte Staatsanwalt Timo Dörffer in seinem Plädoyer. Die Schwächen des Systems seien bewusst ausgenutzt worden. Persönlich bereichert hätten sich die Angeklagten aber nicht. Die öffentlichen Gelder seien ausschließlich in Medizinprojekte in Gelsenkirchen und Mülheim geflossen. Nach eigener Aussage wollten die Angeklagten mit neuen Computertechniken "schwierige Operationen revolutionieren und gleichzeitig die Behandlungskosten senken".
Im Prozess hatten sich beide Angeklagte für ihr Verhalten entschuldigt. Der Ex-Prorektor der Fachhochschule sagte den Richtern: "Ich habe eine Vielzahl von Vergehen begangen. Aber das war nicht meine Absicht. Meine Absicht war es, Arbeitsplätze zu schaffen und Hightech zu produzieren." Er sei kein Scharlatan und habe einfach nur versucht, das Land NRW und die Stadt Gelsenkirchen besserzustellen. Auch der mitangeklagte Medizin-Professor aus Mülheim wies den Vorwurf der dreisten Betrügerei von sich. Sein Verteidiger bezeichnete den 54-Jährigen als einen Visionär, der an formalen Gegebenheiten gescheitert sei.
In den konkreten Fällen hatten sich die Angeklagten unter anderem medizinische Hightech-Geräte fördern lassen, die sie gar nicht oder erst viel später beschafften. Außerdem wurden Mitarbeiter abgerechnet, die zur Tatzeit überhaupt nicht oder nur zum Teil an den förderungswürdigen Projekten gearbeitet hatten. Ziel sei es gewesen, andere Projekte, die in Schwierigkeiten steckten, finanziell zu unterstützen. Die zu Unrecht erhaltenen Subventionen der beiden Professoren sollen sich nach neuen Berechnungen der Staatsanwaltschaft auf mindestens acht Millionen Euro belaufen.
Aufgabe Das "Inkubator-Zentrum Emscher Lippe GmbH" war im Jahr 2000 als Tochtergesellschaft der Fachhochschule-Gelsenkirchen-Holding gegründet worden. Es sollte als Brutkasten Firmengründungen von Wissenschaftlern aus der FH ermöglichen. Über Jahre pumpten das Wirtschafts- und das Wissenschaftsministerium des Landes mehr als zwölf Millionen Euro in das Zentrum.
Missbrauch Über das Inkubator-Zentrum profitierten auch die jetzt angeklagten Professoren, die ebenfalls Anfang des Jahres 2000 gemeinsam mit der Fachhochschule die Firma TecMedic gegründet hatten, von den Subventionen. Weitere Anklagen drohen dem suspendierten FH-Rektor sowie dem Geschäftsführer des Inkubator-Zentrums. Zudem müssen noch mehr als 20 weitere Beschuldigte mit Strafbefehlen rechnen.
Bilanz Der Landesrechnungshof hat die Missstände 2006 aufgedeckt. Dabei wurden schwerwiegende Versäumnisse bei den geldgebenden Landesministerien und der aufsichtführenden Bezirksregierung Münster beklagt. Vor einem Jahr wurde das Inkubator-Zentrum geschlossen.