NRW Garrelt Duin (SPD) - Ein Minister sprengt seine Ketten

Alle Wechselgerüchte in die Wirtschaft weist Garrelt Duin (SPD) zurück, das neue Wachstum in NRW verleiht ihm spürbar Rückenwind. Jetzt will er mehr.

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Düsseldorf. Wer Garrelt Duin erlebt, kann sich vorstellen, wie das manchmal läuft bei ihm. Und in ihm. Es gibt ja Politiker, die sich mit den notwendigen Kompromissen im bisweilen zähen Debatten-Geschäft längst abgefunden haben. Duin gehört nicht zu ihnen. Der 1,96-Meter-Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk ist von energischer Statur, Timbre und Gesamterscheinung lassen meist wenig Zweifel, wohin der Weg gehen soll. Nur kommt am Ende oft etwas anderes dabei heraus. So ist das in einer Regierungskoalition mit den Grünen. Da braucht ein konservativer Genosse als Wirtschaftsminister einige Geduld. Oder aber er verzweifelt. Der Ostfriese Duin aus Leer, seit dem 1. Juni 2012 im Kabinett von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und aus Hannover gekommen, so lauteten die Gerüchte dieser Woche, neige zu letzterem. Und werde sich alsbald für eine lukrative Aufgabe in der Wirtschaft abseilen. Der Essener Evonik-Konzern galt als potenzieller Arbeitgeber.

Duin ließ das dementieren. Die Gerüchte seien falsch, sagte der 48-jährige Jurist und Sozialdemokrat. Und er sagte schwungvoll: „Ich habe total Bock auf das, was ich hier mache. Ich mache das mit großer Leidenschaft.“ Das klang durchaus überzeugend, muss aber nicht heißen, dass es nicht trotzdem langfristig so kommen kann. Ausgeschlossen hat Duin jedenfalls nichts. Wenn er die Gerüchte vermeiden wolle, hat er gesagt, dann müsse er „zuhause bleiben“.

Im vergangenen Juni hatte der smarte Essener erklärt, er strebe auch kein Mandat im Parlament für die Landtagswahl im Mai 2017 an. Duin sieht sich als Macher, weniger als Parteisoldat. Er will die großen Steine bewegen. Aber er wird zu oft gebremst, gerät schon mal mit Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) aneinander. Oder wünscht sich von Landeschefin Hannelore Kraft mehr Rückendeckung für raumgreifende Projekte, die sein Ministerium so nötig hat. Duin will sich nicht mehr aufhalten lassen. Und eine Zeit, in der sich die SPD vor der Wahl im Mai deutlich eigensinniger positioniert, ist für Duin gewiss nicht die schlechteste.

Womöglich verspürt Duin genau jetzt den nötigen Rückenwind. 200 Seiten dick ist das Papier. „Wirtschaftsbericht Nordrhein Westfalen 2016 — Fortschritt durch Innovation“ steht auf dem Deckel, und der Inhalt ist eine detaillierte Analyse der Vorgänge in jenem Land, dem Dienstag 2,1 Prozent Wachstum im ersten Halbjahr bestätigt wurde. Duin hat euphorisch gesagt, alle Schlusslicht-Schlagzeilen könnten „geschreddert“ werden. Schlagzeilen-Sprache. Es war wie ein Befreiungsschlag für ein Ministerium, das sich Monate lang für ein Nullwachstum rechtfertigen musste. Und jetzt: Platz acht unter den Ländern mit boomenden Mustergebieten wie Südwestfalen, Ostwestfalen-Lippe oder dem Münsterland. Weil Duin weiß, dass er trotzdem von Industrie- und Handelskammer, Unternehmensverbänden und Opposition beschossen wird, sagt er, das Ergebnis sei kein Grund für Jubel. „Wir wollen zurück in die Spitzengruppe.“ Jetzt will er mehr.

Dienstag beschloss das Kabinett den Bericht — und Konsequenzen daraus. Tenor: Altes, wie die schrumpfende Industrieproduktion, die „nie wieder die alten Exportzahlen der Grundstoffindustrie“ erreichen werde, müsse gestärkt werden — ohne Subventionen. Und: Neues schaffen. Ein Schlaglicht ist der Plan um die 2015 geschlossene Zeche Auguste Victoria in Marl, das „die am schnellsten revitalisierte Bergbaufläche aller Zeiten“ werden soll — ab 2020 sollen sich dort Unternehmen ansiedeln. Und da ist das Vorhaben, den ständigen Anstieg der Gewerbesteuer zu bremsen. Eine Arbeitsgruppe berät, NRW hat bundesweit die höchsten Grund- und Gewerbesteuersätze. Und: Duin will die Außenwirtschaft neu justieren. Die Beziehungen zu neuen Märkten in China, Japan und Korea müssten gestärkt werden. Dazu brauche das Land mehr innovative Produkte für den Export. Deshalb fördere man unter anderem mit 3,3 Millionen Euro ein „Kompetenzzentrum Niederrhein“ für 3D-Druck. NRW will sich für eine steuerliche Forschungsförderung stark machen und gegen verschärfende EU-Regulierungen zulasten energieintensiver Unternehmen. Duin wird daran gemessen werden. Den nächsten Wirtschaftsbericht will er im März vorlegen. Und dann wieder strahlen. Wo es sich doch gerade so gut anfühlt.