Gesine Schwan beklagt kulturelle Krise
Die Bewerberin wandelt das Rau-Motto leicht ab und beschwört den Konsens.
Düsseldorf. Ein bisschen Johannes Rau, ein bisschen Richard von Weizsäcker und eine gute Portion Gesine Schwan: Die SPD-Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin warb am Dienstag im Düsseldorfer Landtag für ihre Bewerbung. "Unsere Wahlfrauen und -männer stehen voll hinter ihr", sagten uniso Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann, Fraktions-chefinnen von SPD und Grünen.
Da das aber nicht für eine Schwan-Mehrheit am 23. Mai reichen wird, stellte sich Schwan auch den Journalisten, um über die Medien den ein oder anderen Delegierten von Union und FDP in der Bundesversammlung auf ihre Seite zu ziehen.
Während Bundespräsident Horst Köhler in seiner Berliner Rede die Krise als Disziplinierungsinstrument für die Große Koalition darstellte, präsentierte sich Schwan als jemand, der das Amt mit neuen Ideen und Wirkungsmöglichkeiten versehen würde: Originell, nahe an der Politik, gleichwohl keine Parteifrau, analytisch, aber nahe an den Menschen
Was sich fast wie eine Neuerfindung der Amtsführung anhörte, hat aber durchaus seine Wurzeln. "Das Versöhnen statt spalten von Johannes Rau hat mir immer gefallen. Aber ich möchte das für mich als die Idee des Grundkonsens bezeichnen", sagte Schwan.
Denn der 65-Jährigen geht es um den Zusammenhalt der Gesellschaft in der Krise, die sie als kulturelle Krise versteht. Die Rezession habe zwar konkrete Gründe und massivste Auswirkungen, zeige aber vor allem eins: Die Globalisierung laufe in die falsche Richtung. "Wir haben doch gehofft, dass alle davon profitieren. Das ist aber gescheitert", sagte Schwan.
Statt eines Zusammenhangs gebe es nur eine verschärfte Konkurrenz, ablesbar auch in der nur noch äußerst kurzen Verweildauer von Top-Managern in ihren Unternehmen. "Früher waren das 20 Jahre, jetzt sind es oft nur noch vier Monaten. Das hat große Auswirkungen auf die Unternehmenskultur", sagte Schwan.
Die Professorin Schwan spult ihre Bewerbung als frischen Gegenentwurf zu Köhler mittlerweile routiniert ab. Dabei wirkt manches doch sehr akademisch. Konkrete Stellungnahmen zur Tagespolitik will sie auch für den unwahrscheinlichen Fall ihrer Wahl nicht abgeben.
Das sei im Zweifel eine Gefahr für die Demokratie. Deshalb enthielt sie sich auch einer klaren Aussage zu heiklen Themen wie etwa Atomenergie oder Iran. Nur in der Bildungspolitik bezog sie relativ klar Position für einen längeren gemeinsamen Unterricht - was aber auch schon eine ganze Reihe von CDU-Ministerpräsidenten so sehen.
All das ist von Schwan seit Monaten bekannt und von ihr in vielen öffentlichen Auftritten wiederholt worden, wenn auch in Varianten. Ob es für die Wahl zur ersten Frau ins höchste Amt der Republik reicht, wird der 23. Mai zeigen.