Unfallopfer auf Autobahnen schützen Grüne Wände gegen Gaffer und entwürdigende Videos

Mobile Sichtschutzzäune sollen auf NRW-Autobahnen neugierige Blicke der Schaulustigen abhalten.

Verkehrsminister Michael Groschek stellte die mobilen Sichtschutzwwände vor.

Foto: Federico Gambarini

Kaarst. Als erstes Bundesland setzt Nordrhein-Westfalen Sichtschutzwände gegen Gaffer ein, die nach Unfällen auf der Autobahn ihre Neugier befriedigen wollen. Von der Autobahnmeisterei in Kaarst aus, wo Landesverkehrsminister Michael Groschek (SPD) das Projekt vorstellte, wurden gestern zwölf Anhänger mit je 40 Sichtschutzwänden auf die Autobahnmeistereien verteilt. So sollen potenzielle Unfallstellen im 2200 Kilometer langen Autobahnnetz in NRW schnell erreicht werden.

Passiert ein größerer Unfall, so werden die Schutzwände auf Anforderung der Polizei von der nächstgelegenen Autobahnmeisterei zum Unfallort transportiert. Einmal angekommen, ist es eine Sache von wenigen Minuten, bis der Sichtschutz installiert ist. Das demonstrierten Mitarbeiter der Autobahnmeisterei Kaarst gestern, als sie in kurzer Zeit die 2,5 Meter langen, 2,1 Meter hohen Elemente mit ihrer blickdichten grünen Folie in die Stahlrahmen steckten.

Bis Windstärke 5 können sie eingesetzt werden. Damit sie bei leichteren Windstärken nicht umgeblasen werden, gibt es Luftdurchlässe, die die Stabilität gewährleisten. Auch soll an den durch die Wände gesicherten Unfallstellen ein Tempolimit von 60 Stundenkilometern gelten, damit die Planen nicht durch den von Lkw verursachten Geschwindigkeitssog umgerissen werden.

470 000 Euro aus Bundesmitteln wurden für das Projekt investiert. Winfried Pudenz, Hauptgeschäftsführer von Straßen.NRW, erläutert: „Wenn es für die anderen Verkehrsteilnehmer durch die grüne Wand nichts zu sehen gibt, haben sie auch keinen Anlass, ihre Neugier zu befriedigen.“ Ein einjähriges Pilotprojekt, bei dem der Sichtschutz sieben Mal zum Einsatz kam, habe gezeigt, dass der Verkehr flüssiger am Unfallort vorbeifuhr, da die Autofahrer nicht abgelenkt waren.

Polizei und Feuerwehr konnten ihren ohnehin belastenden Einsätzen — oftmals mit eingeklemmten Personen — nachgehen, ohne dabei auch noch beobachtet zu werden. Drei Gründe sprechen aus Sicht von Verkehrsminister Groschek für das auf niederländischen Straßen schon länger praktizierte Verfahren. Es gebe weniger Staus durch Schaulustige. Auffahrunfälle, die sich oft am Stau-Ende ereigneten, würden reduziert. Vor allem aber werde „den Opfern die Würde zurückgegeben“.

Es sei ein sich epidemiehaft ausbreitendes Phänomen, dass Gaffer nicht nur vor Ort das Geschehen beobachten, sondern es mit der Handykamera festhalten und die Aufnahmen dann auch noch im Internet hochladen. Solchen Zeitgenossen werde mit der grünen Sichtschutzwand gewissermaßen ein Spiegel vorgehalten — „da können sie einmal reflektieren, was sie fälschlicherweise für ihr gutes Recht halten“.