Interview: Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist derzeit besser als erwartet
Die Chefin der Bundesagentur für Arbeit in NRW, Christiane Schönefeld, erklärt, warum das Land besonders von der Krise betroffen ist.
Frau Schönefeld, die Lage auf dem nordrhein-westfälischen Arbeitsmarkt hat sich im April deutlich schlechter entwickelt als im übrigen Bundesgebiet. Ist das Land schlechter aufgestellt im Kampf gegen die Wirtschaftskrise?
Schönefeld: Die Entwicklung im April ist - im Gegenteil - positiver verlaufen als wir erwartet hatten. Wir haben in Nordrhein-Westfalen eine deutlich schlechtere Ausgangslage als in anderen Bundesländern, weil hier die Branchen überproportional vertreten sind, die die Krise unmittelbar spüren. Dazu gehören die Autozulieferer und die Metall-Erzeuger. Das sieht man auch an der der schlechteren Entwicklung der Zahlen in den Regionen, in denen viele betroffene Firmen ihren Standort haben - beispielsweise Wuppertal, der Oberbergische Kreis und Südwestfalen.
Schönefeld: Der Grund ist eindeutig die Kurzarbeit in den Betrieben. Seit Oktober haben Arbeitsgeber in NRW für mehr als eine halbe Million Beschäftigte Kurzarbeit angezeigt. Wir gehen davon aus, dass davon etwa 60 Prozent tatsächlich realisiert werden. Das sind allerdings alarmierende Zahlen.
Schönefeld: Die weitere Entwicklung der Krise ist schwer einschätzbar, und wir können keine Prognose abgeben, wie viele Kurzarbeiter in die Arbeitslosigkeit gehen. Wir hoffen aber, dass wir aufgrund der verbesserten Rahmenbedingungen viele Arbeitsplätze retten können. Klar ist aber, dass das Instrument nur eine Brücke sein kann. Arbeitsplätze werden dauerhaft nur erhalten, wenn die Unternehmen eine Perspektive haben. Wichtig wird dann auch sein, ob es sich nur um konjunkturelle Probleme handelt, oder ob es auch strukturelle Defizite gibt, beispielsweise eine Überkapazität in der Automobilherstellung.
Schönefeld: Meiner Ansicht nach nicht. Denn auf diese Weise wird Arbeitslosigkeit nur verlängert. Die Mitarbeiter sind dann sozusagen ein bisschen arbeitslos. Sie müssten sich eigentlich nach einem neuen Job umsehen, haben aber zugleich ein hohes Interesse daran, an den alten Arbeitsplatz zurückzukehren.
Schönefeld: Wir merken jetzt schon Probleme in der Logistikbranche. Wenn weniger produziert wird, muss auch weniger transportiert werden. In einer dritten Phase wird es dann bei steigender Arbeitslosigkeit auch den Handel und den Dienstleistungsbereich treffen.
Schönefeld. Wir merken natürlich die Auswirkungen der Abwrackprämie, wenn beispielsweise die Kurzarbeit bei den Autozulieferern zurückgeht. Die Investitionsförderung für die Kommunen läuft dagegen gerade erst an. Die Bundesagentur sieht Möglichkeiten, dass beispielsweise Arbeitslose für die Sanierung von Schulen eingestellt werden. Möglich ist aber auch, für Zuarbeiten über Ein-Euro-Jobs und den Kombilohn Arbeitsgelegenheiten für Langzeitarbeitslose zu schaffen. Wir dürfen in der Krise nicht die Schwächsten auf dem Arbeitsmarkt abhängen.
Schönefeld: Es ist tatsächlich keine Frage des Ob, sondern des Wann. Diese Frage können wir aber derzeit nicht beantworten. Ein deutlich höheres Risiko besteht aber bei einem sehr kalten und langen Winter - wenn zu der Krise auch noch die normalen saisonalen Probleme, beispielsweise in der Baubranche, auf dem Arbeitsmarkt durchschlagen.