Jugendliche voller Wut und ohne Zukunft
Drei junge Männer aus Wuppertal-Oberbarmen schildern ihren Alltag, erzählen von Drogen, Kriminalität und Gewalt.
Wuppertal. Sie leben in einer Welt voller Gewalt, Drogen und Kriminalität. Wenn sie überhaupt noch zur Schule gehen, dann hängen sie spätestens nachmittags in Wuppertal-Oberbarmen am Bahnhof, zwischen Obdachlosen und Junkies, und schlagen irgendwie die Zeit tot.
Überfälle, Drogenhandel und Messerstechereien gehören für Justin, Dennis und Maik (Namen von der Redaktion geändert) zur Tagesordnung. "Die Polizei und die Leute von der Stadt haben absolut keine Ahnung, was hier wirklich abgeht", sagt Dennis (18).
Das Leben der Jugendlichen in Oberbarmen ist geprägt von Tristesse. Oftmals prügeln sie sich einfach nur aus Langeweile. Einen Job haben die wenigsten von ihnen. Fast ein Drittel aller Jugendlichen unter 25 Jahren (31,1 Prozent) in Oberbarmen lebt von Hartz IV. In keinem anderen Stadtteil in Wuppertal ist dieser Anteil derart hoch. "Hier wird einem nichts geschenkt", sagt Maik (21). "Man muss irgendwie gucken, wie man zurecht kommt."
Gedanken an die Zukunft verschwenden Justin, Dennis und Maik schon lange nicht mehr. "Wir planen nichts - ich weiß ja nicht einmal, was morgen sein wird", sagt Dennis. Nur bei einer Sache ist er sich sicher: Es wird auf jeden Fall schlimmer. "Wir werden ja auch alle älter, und es gibt absolut keine Perspektiven für uns", erklärt der 18-Jährige. Sein Kumpel Justin (17) erhebt Vorwürfe gegen die Stadt: "Für uns wird hier nichts getan. Wenn etwas angeboten wird, dann ist das nur für Kinder".
Dieser Aussage muss Karsten Buchholz, Projektmanager für die Stadtteilarbeit unter anderem in Oberbarmen, teilweise zustimmen: "Unser Angebot im präventiven Bereich richtet sich eher an Jüngere", sagt er. Allerdings würden sich die Jugendlichen selbst oft noch ihre letzten Möglichkeiten verbauen, indem sie in vielen Jugendtreffs Hausverbot bekämen, ergänzt Buchholz.
Was den jungen Leuten bleibt, ist die Straße. Gewalt ist für sie oft der einzige Weg, um sich zu beweisen und an Geld zu kommen. Letzteres besorgen sie sich meist durch illegale Deals. "Ab und zu drehen wir ein paar Dinger", sagt Dennis und zeigt vier Handys, die er in seiner Jackentasche aufbewahrt. Hat er die irgendwelchen anderen Kids abgenommen? "Abziehen" heißt das in der Sprache der Straße.
"Man muss sich eben seine eigenen Wege suchen, um irgendwie an Geld zu kommen", fügt Maik hinzu und holt ein daumendickes Geldbündel aus seiner Jackentasche. Wie er an die rund 1300 Euro gekommen ist, darüber schweigt er lieber.
Polizeihauptkommissar Axel Wörder kennt die Bezirke, in denen es richtig schlimm ist. "In manchen Vierteln, beispielsweise in Wuppertal-Wichlinghausen, gibt es besonders viel Jugendkriminalität. Da leben die entsprechenden Bildungsschichten, und die Leute haben einfach kein Geld", erklärt er.
Wörder teilt die Ansicht von Justin und seinen Kumpels: "Für die Jugendlichen fehlen Angebote, wie etwa Vereinsarbeit und entsprechend viele Sozialarbeiter. Vor allem im vorbeugenden Bereich wird viel zu sehr gespart".
Besonders nachts ist es in vielen Ecken Oberbarmens gefährlich. Dann werden Geschäfte abgewickelt, Drogen konsumiert, Rivalitäten ausgefochten. "Manche Leute können hier abends einfach nicht mehr langgehen", sagt Justin. Er kann verstehen, dass besonders ältere Leute Angst haben, wenn nachts die Junkies in den Gebüschen liegen und an jeder Ecke Jugendliche herumlungern. "Es ist wirklich übel hier", sagt er.
Dabei geht es Justin und seinen Kumpels noch verhältnismäßig gut. "Ich kenne Leute, die haben zu Hause nur eine Matratze und einen Fernseher stehen", sagt er. Und auch wenn die drei leben, als gäbe es kein Morgen, dass sie mit einem Bein oft bereits im Knast stecken, ist den Jugendlichen durchaus klar. "Wenn ich eine Chance habe, dann bin ich hier weg", sagt Maik. Dann klingelt sein Handy und er muss los - seine Geschäfte warten.