Justiz: NRW-Verfassungsrichter befangen
Jürgen Brand will nicht über Klagen gegen die Kommunalwahl entscheiden, weil er in der SPD aktiv ist.
Münster/Düsseldorf. Der Streit um das Kommunalwahlgesetz in NRW und um den geplanten Wahltermin am 30. August zieht immer größere Kreise: Gestern erklärte sich der Richter am Landesverfassungsgericht Jürgen Brand für befangen und wird an den Beratungen zu den zwei anhängigen Klagen gegen das Gesetz nicht teilnehmen. Das ist ein bislang einmaliger Vorgang.
Brand hat seine Personalie selbst auf die Tagesordnung beim Verfassungsgericht gesetzt. Der Präsident des Landessozialgerichts in Essen ist seit rund 40 Jahren Mitglied der SPD und seit einiger Zeit Chef des Unterbezirks Hagen.
Vertreter der CDU hatten diese Konstellation in den vergangenen Tagen problematisiert. Denn in Münster werden bald wieder Klagen verhandelt, die die SPD zusammen mit den Grünen eingereicht hat.
Sie wollen die Abschaffung der Stichwahl bei der Direktwahl für Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte rückgängig machen und den von der schwarz-gelben Landesregierung angesetzten Kommunalwahltermin am 30. August kippen. Beide Klagen werden von SPD-Kampagnen begleitet, die die Basis - somit auch Brand in seinem Parteiamt - unterstützt.
Der Rückzug ist brisant. Denn normalerweise springt in einem solchen Fall nahtlos der Stellvertreter ein. Der heißt in diesem Fall Thomas Griese und winkte gestern ebenfalls ab. Denn Griese ist zwar einerseits Arbeitsrichter in Aachen, andererseits aber auch Grünen-Politiker.
Als solcher avancierte er einst unter der damaligen Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) zum Staatssekretär und ist heute Spitzenkandidat seiner Partei in der Städteregion Aachen. Auch er hält sich wegen seiner exponierten parteipolitischen Position für befangen.
Die Klage aus der Politik ist also bei den Top-Repräsentanten der NRW-Justiz zum Politikum geworden. Wer jetzt bei den Verhandlungen über die Klagen den Platz von Brand einnehmen wird, ist offen.
Normalerweise muss der nächst dienstälteste unter den sechs verbliebenen stellvertretenden Landesverfassungsrichtern nun berufen werden. Wer das sein wird, sei noch unklar", sagte ein Sprecher des Landesverfassungsgerichts. Denn allesamt sind sie Parteien zurechenbar.
Das liegt an der bisherigen Berufungspraxis des Gerichts. Der Senat hat sieben Mitglieder, drei davon natürliche, vier berufene. Die drei natürlichen Mitglieder sind der Präsident des Oberverwaltungsgerichts Münster, der auch Verfassungsgerichtspräsident ist, sowie die beiden lebensältesten Präsidenten an den drei Oberlandesgerichten.
Die vier berufenen werden für sechs Jahre vom Landtag ernannt. Dafür bedarf es jeweils einer Zweidrittel-Mehrheit - um Parteistreitigkeiten wie jetzt zu vermeiden. Dabei gilt der Parteienproporz.
Doch nach dem Rückzug von Brand meldet sich nun auch die SPD zu Wort. Sie fordert ihrerseits den Rückzug von Verfassungsrichterin Barbara Dauner-Lieb. Sie ist stellvertretende Chefin des Landesarbeitskreises Christlich-Demokratischer Juristen und berät die CDU-Landtagsfraktion in juristischen Fragen. Chef dort ist Peter Biesenbach, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion. Die Fraktion verteidigt die bisherigen Kommunalwahlregeln.
SPD und Grüne hatten in einer ersten Klage gegen den ursprünglichen Wahltermin in Münster Erfolg gehabt. Er war für den 7. Juni angesetzt.