Kohle-Kompromiss: Nach dem Gipfel sind wichtige Streitfragen noch nicht geklärt
In den nächsten Tagen kommt auf die Beteiligten Detailarbeit zu. Doch die große Linie scheint zu stehen.
Düsseldorf. Die wichtigsten Akteure waren gestern in Berlin: Sowohl NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) als auch Oppositionsführerin Hannelore Kraft (SPD) versuchten in der Hauptstadt, den sich anbahnenden Kohlekompromiss in den Spitzengremien ihrer Parteien abzusichern und sich für die letzten, harten Detailverhandlungen Rückendeckung zu holen. Beide gaben - völlig getrennt voneinander - nahezu gleichlautende Erklärungen ab: "Wir sind einen großen Schritt voran gekommen. Aber noch sind viele Fragen offen", ließen beide verbreiten. Im Jahr 2012 könnte der Ausstieg noch einmal überprüft werden Tatsächlich hatte der Kohlegipfel am späten Sonntag Abend zwischen Vertretern der Bundes- und der Landesregierung sowie der Gewerkschaft IGBCE und dem Essener RAG-Konzern zwar eine Klärung im Grundsatz gebracht, aber eben nur die große Linie vorgegeben: Ein Ausstieg wird angepeilt, eine Überprüfung im Jahre 2012 soll die Möglichkeit bieten, aus dem Ausstieg wieder auszusteigen, wenn dann die deutsche Kohle wieder preislich konkurrenzfähig ist. Klar ist nur: Betriebsbedingte Kündigungen wird es nicht geben, sicherte gestern Rüttgers noch einmal ausdrücklich zu. Der Kohle-Mutterkonzern RAG wird wohl an die Börse gehen können mit seinem "weißen" Bereich im Paket, also mit der Steag, der Degussa und der Immobiliengesellschaft. Der Erlös wird in eine Stiftung gehen, die die Ewigkeitskosten für den schwarzen Bereich, also die Steinkohlezechen, tragen soll. Aber das war es auch schon an Klarheit. Die FDP drängt auf ein noch früheres Ende für den Steinkohlebergbau "Es sind noch sehr viele komplizierte Fragen, die noch gelöst werden müssen", sagte Rüttgers. Dazu zählte er die Frage der Haftung bei den Ewigkeitskosten, das künftige Stiftungsmodell der RAG für den Kohlebereich und vor allem den Zeitpunkt für den Ausstieg. "Das Datum kann ich noch nicht nennen", sagte Rüttgers. Zwar scheint das Jahr 2018 realistisch, Rüttgers mochte sich aber beim Kohlegipfel noch nicht festlegen lassen. Schließlich hat er einen CDU-Parteitagsbeschluss, der einen Ausstieg im Jahr 2015 vorsieht. Und daheim in Düsseldorf drängt die FDP auf ein noch früheres Aus. "Je früher desto besser", bekräftigte Gerhard Papke, FDP-Fraktionschef im NRW-Landtag. Auch Kraft wies darauf hin, dass noch vieles zu klären ist. "Aber Rüttgers wollte die Tür abschließen und den Schlüssel wegwerfen. Jetzt ist sie angelehnt", stellte sie die Bedeutung der Überprüfungsklausel heraus. Kraft saß beim Gipfel nicht mit am Tisch, wurde aber zuvor in Telefonaten von Parteichef Kurt Beck und Vizekanzler Franz Müntefering auf Kompromisslinie gebracht. Eines steht aber fest: Das Land wird auch im kommenden Jahrzehnt noch für die Kohle zahlen müssen. "Das kann noch viele Milliarden Euro kosten", warnte Reiner Priggen, versierter Energieexperte der Grünen-Landtagsfraktion. Zum Beispiel sei noch nicht geklärt, wer für die Deichbaukosten an Rhein, Lippe und Emscher aufkommen muss. Da müssen noch viele Hausaufgaben gemacht werden. CHRONOLOGIE 1957 Mit 150 Millionen Tonnen erreicht die Kohleförderung in Deutschland ihren Höhepunkt. 1958 Beginn der Kohlekrise. Die Bochumer Zeche Liselotte wird als erste Schachtanlage geschlossen. 1967 Im Ruhrgebiet gibt es Großdemonstrationen gegen die Zechenschließungen. 1968 Gründung der Ruhrkohle AG. 22 Bergbau-Unternehmen an der Ruhr bringen ihre 52 Zechen und 29 Kokereien in die neue Einheitsgesellschaft ein. 1974 Der "Kohlepfennig" wird eingeführt - ein Aufschlag auf die Stromrechnung, den die Verbraucher in den alten Bundesländern bis 1995 zu entrichten hatten. Die Stromererzeuger hatten sich verpflichtet, vorrangig deutsche Kohle zu beziehen. 1997 Bund, Länder und RAG vereinbaren, die Kohleförderung bis zum Jahr 2005 von 49 auf 30 Millionen Tonnen zu senken. 1998 Die Ruhrkohle übernimmt die Saarbergwerke AG. Unter dem neuen Namen Deutsche Steinkohle AG sind damit alle deutschen Steinkohlezechen in einer Gesellschaft zusammengeführt. 2003 Rot-Grün im Bund und NRW sagen weitere Subventionen bis 2012 zu. Die Förderung soll auf 16 Millionen Tonnen sinken. 2005 Die Zeche Lohberg/Osterfeld wird geschlossen. In Deutschland fördern noch acht Schachtanlagen mit 33 000 Beschäftigten. 2007 Das Ende des Steinkohlenbergbaus in Deutschland im Jahr 2018 rückt näher.