Kohlekraftwerke: Klimaschutz mit Abstrichen
Planung: Kohlekraftwerke wie das in Hürth geplante sind nicht ganz CO2-frei. Töpfer: Kein Alibi für Verzicht auf erneuerbare Energien.
Düsseldorf. Wir müssen weg von Kohle, Öl und Gas! Jahrelang war diese These unter Klimaforschern unumstritten. Fakt ist: Fossile Kraftwerke, die mit Kohle betrieben werden, sind weltweit die größten Klimakiller.
Gelingt es nicht, ihren Ausstoß des Treibhausgases CO2 kräftig nach unten zu fahren, werden die Folgen des Klimawandels verheerend sein. Doch die unterirdische CO2-Speicherung könnte der Kohle noch eine Zukunft geben.
Mit verschiedenen Verfahren testen die Energieriesen RWE, Eon und Vattenfall die neue Technik CCS, Carbon Capture and Storage (übersetzt Kohlenstoff-Abscheidung und Speicherung). Die Konzerne sprechen von "sauberen Kraftwerken", doch ganz so einfach ist das nicht.
Zwar gelingt es schon nach heutigen Verfahren, etwa 90 Prozent des CO2 abzutrennen und zu speichern, aber: "In der Gesamtbilanz kommen wir je nach Verfahren nur auf 65 bis 80 Prozent", sagt Manfred Fischedick, Vizepräsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie.
Der Grund: Schon beim Kohleabbau gelangen große Mengen CO2 und des noch gefährlicheren Treibhausgases Methan in die Atmosphäre. Das trübt die Bilanz.
Die zweite Frage ist, ob und wie schnell CCS zum Einsatz kommt. Zurzeit werden große Teile des deutschen Kraftwerkparks ersetzt. CCS ist aber noch in der Testphase. Johannes Ewers, Leiter Neue Technologien bei RWE Power, räumt ein: "Kommerzielle Anlagen können wir frühestens 2020 in großem Stil mit CO2-Abscheidung ausstatten."
Dann sind viele neue Kraftwerke schon in Betrieb. Nur wenn die Energieversorger die teuren Nachrüstungen nicht scheuen, könnte CCS auch in Deutschland einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
RWE will in Hürth eines der ersten Kohlekraftwerke weltweit bauen, in dem die CO2-Abtrennung schon von Beginn an eingebaut ist. Ende 2014 soll es in Betrieb gehen. Das CO2 soll vor der Verbrennung aus dem Kohlegas herausgewaschen und per Pipeline in Schleswig-Holstein unter die Erde gebracht werden. "Wir wollen in Hürth rund 2,6 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr abscheiden", verdeutlicht Ewers die Dimensionen des Projekts.
Die Technik ist jedoch auf doppelte Art teuer: Erstens treibt der Bau der Abscheidung und einer Pipeline die Gesamtkosten eines Kraftwerks um rund 50 Prozent hoch. Kosten, die letztlich wohl die Stromkunden werden tragen müssen. Zweitens kostet die Abscheidung enorme Mengen Energie.
"Das Verfahren muss noch optimiert werden", sagt auch Johannes Ewers. "Der Kohleverbrauch würde durch CCS nach heutigem Stand um rund 30 Prozent steigen."
Risiken durch den Pipeline-Transport sieht RWE nicht. Schließlich gebe es ja heute schon jede Menge Erdgas-Pipelines in Deutschland. Ein Leck in der CO2-Pipeline würde vom Sicherheitssystem sofort registriert. "Durch Schieberstationen entlang der Trasse können wir die Pipeline abschnittsweise unverzüglich schließen", betont Ewers. Zudem sollen Mulden schon bei der Planung gemieden werden.
In Ex-Umweltminister Klaus Töpfer hat die CO2-Abscheidung einen prominenten Unterstützer. "CCS darf aber kein Alibi dafür werden, die erneuerbaren Energien nicht zu forcieren", sagte der Klimaexperte unserer Zeitung.