Integrationskurse in NRW Teil 1 Lehrer: Eine Arbeit - zwei Stundenlöhne
Freie Lehrkräfte mit Deutsch als Fremdsprache erhalten für Integrationskurse eine unterschiedliche Bezahlung. Deren Höhe hängt vom Auftraggeber ab.
Düsseldorf. Nein, wirklich sauer ist Hedwig Schulte nicht, „gelegentlich ein wenig verbittert“, versucht die 62-Jährige ein Lächeln. Sie arbeitet seit vielen Jahren als Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache, aktuell für bis zu fünf Auftraggeber, frei, ohne Festanstellung. Was sie auch gut findet. Nur bei der Bezahlung hapert es. Für ein- und dieselbe Arbeit erhält sie unterschiedlichen Lohn: Einmal sind es 22, einmal 35 Euro. Hedwig Schulte ist Lehrerin für Deutsch und Geschichte, hat beide Staatsexamen, eine Zusatzausbildung in Alphabetisierung und viel Erfahrung. Wie die studierte Germanistin Ruth Janßen, die eine Zusatzausbildung für Deutsch als Fremdsprache hat. Beide geben an der Volkshochschule (VHS) Düsseldorf Sprach-Kurse. Sie haben vor etwa zwei Jahren die Initiative „Freie Lehrkräfte an der VHS Düsseldorf“ gegründet, die auf die Missstände bei der Bezahlung aufmerksam macht.
Verschiedener Lohn für verschiedene Arbeit? Mitnichten. Eher: verschiedener Lohn für die gleiche Arbeit. Alle Kurse finden im Haus der VHS statt, haben ähnliche Teilnehmerzahlen, verwenden die gleichen Bücher, umfassen jeweils 600 Stunden und enden mit dem B1-Abschluss, der den Teilnehmern bestätigt, alltagstaugliches Deutsch zu beherrschen. Einziger Unterschied: Die einen Kurse beauftragt das Bamf (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge), die anderen bietet die VHS für alle an, die freiwillig Deutsch lernen möchten. Und: „Die Kursteilnehmer in den Kursen des Bamf müssen eine Prüfung machen, die in den offenen Kursen nicht“, erklärt Ruth Janßen.
Vor allem seit 2016 liegen die Stundenlöhne bei Hedwig Schulte über zehn Euro auseinander: Unterrichtet sie in Integrationskursen des Bamf erhält sie 35 Euro pro Stunde, tut sie es im Auftrag der VHS, sind es (seit 2017) 22 Euro. Die Bundesregierung hat im vergangenen Jahr die Stundenlöhne für die Bamf-Kurse deutlich erhöht. Barbara Lorenz-Allendorf, erste stellvertretende Vorsitzende der VHS in NRW, bedauert die Diskrepanz, die man aber aus finanziellen Gründen nicht auflösen könne: „Die Volkshochschulen fordern, dass die finanzielle Grundausstattung besser wird. Hier sind Land und Kommunen gefordert.“
Die 56-jährige Ruth Janßen weiß, was die Ungleichbehandlung in der Lehrerschaft bewirkt: „ Reibereien gibt es vor allem seit der Erhöhung durch das Bamf. Vorher waren die Unterschiede gering.“ Einige Lehrkräfte versuchen, hauptsächlich Integrationskurse zu geben. Worüber freilich nicht sie, sondern die Fachbereichsleiter entscheiden. Andere erhöhen die Stundenzahl, um ihren Lebensstandard zu halten.
Für alle gilt: Vom Stundenlohn muss die soziale Absicherung bezahlt werden. Hedwig Schulte stellt fest: „Im letzten Jahr habe ich circa 1600 Stunden unterrichtet. Das ist wie im Hamsterrad.“ Außerdem herrscht eine hohe Fluktuation. Ruth Janßen erinnert sich: „Früher kannte ich alle Kollegen, seit zwei Jahren aber wandern viele Lehrer ab.“ Laut Clemens Friedrich vom Bündnis DaF/DaZ (Lehrkräfte Deutsch als Fremd- und Zweitsprache) arbeiten nur 19 000 der vom Bamf zugelassenen 32 000 Lehrer in Integrationskursen, „weil viele in lukrativere oder sicherere Jobs abwandern“.
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