Mit 100 Prozent an die Macht

Hannelore Kraft wirbt für das Wagnis Minderheitsregierung.Die Basis folgt ihr ohne Gegenstimme.

Köln. Am Ende waren sie wohl selbst überrascht: Tatsächlich alle Delegierten auf dem SPD-Parteitag in Köln stimmten am Samstag dem mit den Grünen ausgehandelten Koalitionsvertrag zu. 100 Prozent für die Macht - das war die klare Botschaft. Keiner sagte es deutlicher als Martin Schulz, der SPD-Europaabgeordnete und gewiefte Machtpolitiker: "Die fünf schwarz-gelben Jahre in NRW waren verlorene Jahre. Jetzt geht es auch um Berlin."

Hannelore Kraft will sich am Mittwoch zur Ministerpräsidentin einer Minderheitsregierung wählen lassen, also warb sie in ihrer Rede um Zustimmung. "Das ist ein guter Plan für die Zukunft unseres Landes. Wir mussten zwar einige Kröten schlucken, das tat weh. Aber dieser Koalitionsvertrag enthält sehr viele sozialdemokratische Ideen", sagte Kraft.

Nun war ihre 40-minütige Rede eine eher pragmatische Bewerbungsrede für das Wagnis einer Minderheitsregierung. Aber sie zählte auf, was für sie der sozialdemokratische Markenkern der kommenden Regierungsjahre sein soll: Längeres gemeinsames Lernen, also die schrittweise Einführung der Gemeinschaftsschule; die Abschaffung der Studiengebühren; die finanzielle Hilfe für die Kommunen. "Das haben wir im Wahlkampf versprochen, das werden wir halten", so Kraft.

Sie verteidigte die Ankündigung, in diesem Jahr über einen Nachtragshaushalt die Neuverschuldung von 6,6 Milliarden Euro auf mehr als neun Milliarden Euro zu schrauben. "Das ist die Schlussbilanz von Schwarz-Gelb", so Kraft.

Der Parteitag nahm ihr das nicht übel, im Gegenteil. Eine Delegierte aus dem Ruhrgebiet verglich das Motto des Koalitionsvertrags "Gemeinsam neue Wege" gehen gar mit dem epochemachenden Slogan der SPD-Ikone Willy Brandt "Demokratie wagen". Oder der Redner Axel Schäfer: "Das sind Tage des Stolzes für die Sozialdemokratie." Auch ein Zeichen für den Leidensdruck in den vergangenen fünf Jahren.

Wie geht es nun weiter? Am Dienstag wählt der Landtag einen neuen Präsidenten, einziger Kandidat ist wohl der CDU-Mann Eckhard Uhlenberg. Am Mittwoch dann stellt sich Hannelore Kraft zur Wahl als Ministerpräsidentin. Schafft sie es, will sie am Donnerstag ihre neues Kabinett präsentieren.