Mord in Duisburg: Gefahr durch Mafia in Deutschland wächst
Nach dem Mord an sechs Italienern in Duisburg gehen nun auch die deutschen Ermittler von einer Mafia-Fehde als Hintergrund aus. Das Ruhrgebiet ist laut des Ex-Mafiosos Giorgio Basile eine Hochburg der kalabrischen Mafia.
Duisburg (dpa/AFP). Auch die Duisburger Polizei geht inzwischen von Streitigkeiten zwischen zwei Familien im kalabrischen San Luca aus. Sie geht dabei Hinweisen aus Italien nach, wonach eines der Opfer ein Killer gewesen sein soll. "Das ist einer unserer Hauptstränge der Ermittlungen", sagte Polizeisprecher Rolf Holz. Unterstützt wird die Duisburger Polizei von Kollegen aus Kalabrien und vom Bundeskriminalamt. Demnach stammten mindestens zwei der sechs Opfer aus dem Clan der Vottari/Romeo/Pelle, der bereits seit 20 Jahren im Großraum Duisburg vertreten ist. Der Clan ist mit dem Familienverband der Strangio/Nirta verfeindet, Mitglieder dieser Gruppe sind der Polizei zufolge ebenfalls in Duisburg ansässig. Italienischen Berichten zufolge soll Marco M., eines der Opfer, das Hauptziel der Killer gewesen sein. Dies hätten die bisherigen Ermittlungen ergeben, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa am Donnerstag. Er werde vom Clan der Strangio-Nirta als einer der Hauptverantwortlichen für die Ermordung von Maria Strangio angesehen, der Ehefrau des mutmaßlichen Clan-Chefs Giovanni Nirta. Sie war im vergangenen Dezember ermordet worden. Dabei war auch ein fünfjähriges Kind verletzt worden. Beide Clans werden der kalabrischen Mafia 'Ndrangheta zugerechnet. Warum neben Marco M. fünf weitere Menschen getötet wurden, sei noch unklar. Möglicherweise kann eine Angestellte, die kurz vor der Tat am Mittwoch gegen 2.20 Uhr die Pizzeria verlassen hatte, in dem die späteren Opfer in interner Runde einen Geburtstag gefeiert hatten, Hinweise zu den Mördern geben. Das Ruhrgebiet ist nach Ansicht des früheren Mafioso Giorgio Basile eine Hochburg der kalabrischen Mafia. Zudem sei Deutschland ein Lieblingsversteck der 'Ndrangheta. "Die Deutschen müssen einfach verstehen: Wo es Pizza gibt, ist auch die Mafia zu Hause. Weil viele Restaurants mit deren Geld finanziert sind", sagte er in einem Inteview. Auch nach Einschätzung von Fahndern sind die Morde ein weiterer Beleg für eine wachsende Gefahr durch die Mafia in Deutschland. Italiens führender Mafia-Jäger Piero Grasso hatte vor wenigen Wochen gewarnt, Deutschland sei durch das Einsickern der italienischen Mafia massiv bedroht. Die Mafia versuche, in legale Wirtschaftskreisläufe einzusickern. Grasso empfahl, konsequent Informationen von Mafia-Aussteigern abzuschöpfen, Telefone zu überwachen und V-Leute einzuschleusen. Dass die 'Ndrangheta in Duisburg jedoch sechs Menschen getötet haben soll, sei für diese Organisation "nicht normal", sagte Basile. "Da muss irgendetwas schief gelaufen sein." Bislang seien keine gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den beiden der kalabrischen Mafia zugerechneten Clans in Deutschland bekannt geworden, erklärte auch die Duisburger Polizei. Italienische Polizisten helfen bei der Aufklärung Nach Polizeiangaben vom Donnerstag trafen am Vorabend zwei Polizeibeamte aus Kalabrien in Duisburg ein. Die italienischen Polizisten sollen die Duisburger Mordkommission bei Aufklärung der Bluttat unterstützen, bei der am frühen Mittwochmorgen sechs Männer vor einer Pizzeria in der Nähe des Hauptbahnhofs der Ruhrgebietsstadt kaltblütig erschossen worden waren. Die italienische Polizei hielt am Donnerstag im kalabrischen Reggio ein Krisentreffen zu den Morden in Duisburg ab. An dem Treffen nahmen auch mit dem Anti-Mafia-Kampf befasste Staatsanwälte der Region teil. Bei der Sitzung sollte es unter anderem darum gehen, mit welchen Aktionen eine Eskalation der Gewalt in der Region unterbunden werden kann. Die Spitzen der kalabrischen Polizei wurden aus dem Urlaub zurückgerufen. Rund um San Luca hatte die Polizei zuvor Straßensperren errichtet, um mögliche Racheakte nach den Tötungen in Deutschland zu verhindern. Derweil beriet die Mordkommission nach Angaben eines duisburger Polizeisprechers am Donnerstagmorgen über das Ergebnis der Auswertung von Videobildern, die eine Überwachungskamera im Bereich des Tatorts aufgenommen hatte. Die Polizei wollte am Vormittag mitteilen, ob die Bilder nach entsprechender technischer Aufbereitung vielversprechende Ermittlungsansätze bieten. Zudem hoffen die Ermittler weiter auf Hinweise zu zwei Männern, die Zeugenaussagen zufolge nach den tödlichen Schüssen vom Tatort geflohen sein sollen. Die sechs Italiener im Alter zwischen 16 und 38 Jahren waren nahe der Pizzeria in zwei Autos mit zahlreichen Schüssen regelrecht hingerichtet worden. Die überwiegend aus Kalabrien stammenden Männer hatten in dem Lokal zuvor den Geburtstag eines 18-jährigen Lehrlings gefeiert, der ebenfalls zu den Opfern zählt.