NRW Muslime: „Der wichtigste Wunsch ist die stärkere Anerkennung“
Projektleiter Wilfried Theißen über ein Pilotprojekt zur Professionalisierung muslimischer Sozialarbeit.
Düsseldorf. Für die laufende Legislaturperiode des 18. Deutschen Bundestags hatte die Deutsche Islamkonferenz, Dialogforum für das deutsche Innenministerium und die hier lebenden Muslime, vor zwei Jahren die Wohlfahrtspflege als einen Schwerpunkt vereinbart. Mittlerweile ist das Thema vor Ort angekommen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat mit Mitteln des Bundesfamilienministeriums und des Integrationsministeriums NRW ein zweijähriges Pilotprojekt mit 17 Moscheegemeinden und zwei alevitischen Cem-Gemeinden in Wuppertal und Köln gestartet. Projektleiter ist Wilfried Theißen.
Herr Theißen, was ist die Idee des Projekts?
Wilfried Theißen: In der ersten Phase ging es erst einmal um das Kennenlernen und Vertrauen auf beiden Seiten. Schon das Wort Wohlfahrtspflege ist ja sehr akademisch. Meist ist damit soziale Arbeit gemeint und wir haben erklärt, wie das in Deutschland funktioniert. Danach haben wir uns die Vereinsangebote angeschaut. Aktuell sind wir dabei, die meist ehrenamtlichen Mitarbeiter der Vereine zu qualifizieren.
Wer ist beteiligt?
Theißen: Wir haben alle islamischen Verbände angeschrieben. Reagiert haben der Verband der Islamischen Kulturzentren, der Zentralrat der Muslime und die Alevitische Gemeinde Deutschland. Die Verbände haben dann die 19 sehr unterschiedlichen Gemeinden ausgewählt. Die Größen bewegen sich zwischen 50 und 1500 Mitgliedern.
Was haben Sie an Angeboten vorgefunden?
Theißen: Vor allem Kinder- und Jugendarbeit, aber auch Sport- und Kulturangebote, zum Teil von Jugendlichen selbst organisiert. Was von außen kaum wahrgenommen wird, ist die Flüchtlingshilfe der Moscheegemeinden, die keineswegs nur muslimischen Flüchtlingen gilt. Viele Helfer in den Gemeinden haben selbst Migrations- oder auch Fluchterfahrungen. Eine Selbsthilfegruppe gehörloser Muslime betreut mittlerweile eine Gruppe von Flüchtlingen, die selbst gehörlos sind. Da ist nicht die Religion das Verbindende, sondern die Behinderung.
Wo liegt das Interesse der muslimischen Gemeinden an der Qualifizierung?
Theißen: In den Vereinen ist ein Generationswechsel im Gang. Junge, gut ausgebildete Menschen, darunter im Übrigen auch viele Frauen, drängen in den Vereinen in die Verantwortung. Bisher wird die Arbeit dort aber fast ausschließlich ehrenamtlich geleistet. Durch das Projekt soll einerseits das Ehrenamt professionalisiert werden und andererseits geht es um eine Anschlussfähigkeit an Fördergelder.
In welche Richtung wollen die Vereine ihre soziale Arbeit ausbauen?
Theißen: Ein wichtiges Thema ist die Seniorenhilfe. Dann geht es um den Übergang von Schule zu Beruf und schließlich auch um die Extremismusprävention. Denn auch in den Gemeinden gibt es eine große Angst, dass die Jugendlichen in den Extremismus abgleiten könnten.
Ist das denn so einfach, Förderung zu bekommen, um hauptberufliche Mitarbeiter einstellen zu können?
Theißen: Nein, das wird ein langer Weg. Bei berufsvorbereitenden Maßnahmen gibt es beispielsweise zwei Finanzierungswege über die Bundesanstalt für Arbeit oder das Landesprogramm „Kein Abschluss ohne Anschluss“. Aber dafür müssen die Anbieter zertifiziert sein. Der wichtigste Wunsch der Gemeinden ist aber nicht in erster Linie die Finanzierung, sondern die stärkere Anerkennung und Wertschätzung ihrer Angebote.
Was ist notwendig, damit diese Anerkennung erfolgt?
Theißen: Dafür müssen die Gemeinden zum Beispiel transparent machen, wie man die religiöse Arbeit von der sozialen Arbeit abgrenzen kann. Das ist wichtig für die gesellschaftliche Akzeptanz. Aber ich habe seit dem Beginn des Projekts schon bei mir selbst gemerkt, wie wenig wir noch voneinander wissen.