Talentscouts helfen Mutmacher für den Weg an die Uni

Talentscouts der Universitäten von Düsseldorf und Wuppertal begleiten Schüler, deren Familienumfeld keine Bildungschancen bietet.

Foto: dpa

Düsseldorf. Suat Yilmaz’ Familie stammt aus einem Bergdorf auf 1800 Metern Höhe in Anatolien. Die Schulbildung der Eltern endete mit der Grundschule, Hausaufgaben konnte er nur machen, wenn der Vater bei der Arbeit war. Dann gab es diesen einen Hauptschullehrer, der ihm sagte, dass er das Zeug zum Abitur habe. Für seine Familie war dieser Impuls ein Kulturbruch. „Nach mir haben auch alle meine jüngeren Geschwister studiert.“

Heute ist Yilmaz Diplom-Sozialwissenschaftler, stellvertretender Leiter des NRW-Zentrums für Talentförderung — und als Nordrhein-Westfalens erster Talentscout so etwas wie der Prototyp für ein Projekt, dem sich jetzt auch die Universitäten Düsseldorf und Wuppertal verschreiben wollen.

Je fünf Talentscouts sollen in Gymnasien, Gesamtschulen und Berufskollegs Schülern ab der 10. Klasse Mut machen, den Weg an die Hochschule zu finden, denen aufgrund ihres familiären Umfelds die Vorstellung fehlt, dass das klappen könnte. Das können Migranten- oder Hartz-IV-Familien sein, jedenfalls solche, in denen die Eltern selbst keine Akademiker sind. Ihre Kinder nehmen derzeit nur zu 23 Prozent ein Hochschulstudium auf, der Nachwuchs aus Akademikerhaushalten aber zu 77 Prozent. Yilmaz bringt das auf die Formel: „In Deutschland entscheidet Herkunft über Zukunft.“

Das Ziel des Talentscoutings: mehr Bildungsgerechtigkeit in die Milieus zu bringen, die sonst keine Chance hätten. Schulen, die Interesse haben, melden sich beim Studierendenservice der Universitäten. Dort werden dann Termine für den Besuch eines Talentscouts vereinbart. Welche Schüler in den Blick genommen werden, empfehlen die Schulen. Damit beginnt ein jahrelanger ergebnisoffener Begleitprozess.

2011 wurde das Talentscouting mit Mitteln des NRW-Wissenschaftsministeriums im Ruhrgebiet gestartet. In diesem Jahr wird es auf das ganze Land ausgedehnt. Von der Uni Düsseldorf werden potenziell 75 Schulen in Düsseldorf und im Rhein-Kreis Neuss versorgt, von der Uni Wuppertal etwa 70 Schulen in Wuppertal, Remscheid, Solingen und dem Kreis Mettmann.

„Wir wollen diejenigen ansprechen, die nicht von sich aus in unsere Studienberatung kommen“, sagt Doris Hildesheim, Leiterin des Studierendenservice der Universität Düsseldorf. Hier fand der erste Informationsabend für die Schulen in dieser Woche statt, in Wuppertal erfolgt der Projektstart am 27. März.

Um zu beschreiben, nach wem die Talentscouts suchen, verwendet Yilmaz gerne das Wort Lebenskontext. Sein Beispiel: Ein Mädchen, das sich nach der Schule um seine fünf Geschwister kümmern muss, bei Rewe noch Regale einräumt, um die Familie mitzufinanzieren, und um 22 Uhr Hausaufgaben macht, schafft vielleicht einen Abischnitt von 3,0. „Aber aufgrund des Lebenskontextes kann man dem Mädchen viel mehr Power unterstellen.“

Ein solches Mädchen zum Studium zu ermutigen, ist nicht mit ein paar Gesprächen getan. „Solche Kinder trauen sich nicht, Stipendien oder Bafög zu beantragen. Sie trauen sich nicht, ein Auslandssemester einzulegen.“ Fünf bis acht Jahre müsse man als Begleiter am Ball bleiben, gerade auch bei Rückschlägen und Frustrationen.

Dabei eröffnen die Talentscouts nicht nur den begleiteten Schülern neue Perspektiven. „Auch die nicht geförderten Schüler bekommen mit, dass sie sich nicht verstecken müssen“, sagt Maria Schulte-Coerne, Oberstufenleiterin einer Gesamtschule in Gelsenkirchen. „Talentscouts öffnen den Blick nach oben. Und das ist Gold wert.“