NRW: Linke sucht Machtprobe, Union kritisiert Schuldenkurs, Lütkes wird Regierungspräsidentin in Düsseldorf
Kaum ist die rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen im Amt, gerät sie von allen Seiten unter Druck. Die Linke will Gesetzesvorhaben nicht ohne Gegenleistung durchwinken. Unions- Politiker kritisieren die geplante NRW-Rekordverschuldung.
Düsseldorf/Köln (dpa).Wenige nach der Machtübernahme von Rot-Grün inNordrhein-Westfalen sucht die Linkspartei die Machtprobe. Die Linkewerde nicht als ständiger Mehrheitsbeschaffer für dieMinderheitsregierung aus SPD und Grünen bereitstehen, sagteLandtagsfraktionschef Wolfgang Zimmermann dem Magazin „Der Spiegel“.
„Wir sind Opposition. Wir winken im Parlament nichts durch, nur weiles von SPD und Grünen kommt.“ Der Bundestagsfraktionschef der Linken,Gregor Gysi, forderte Zugeständnisse der neuen MinisterpräsidentinHannelore Kraft (SPD).Derweil stellte der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Hans- Peter Friedrich, wegen der von Rot-Grün in NRW geplanten Rekordverschuldung den Länderfinanzausgleich in Frage.
Wenn ein Land mit 17 Millionen Einwohnern „durch ideologische Verbohrtheit“ vom Geber- zum Nehmerland gebracht werde, sei der Finanzausgleich gescheitert, sagte er der „Rheinischen Post“ (Samstag). „Dafür zu zahlen, kann von niemandem mehr verlangt werden.“Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte der „Welt amSonntag“, die rot-grüne Politik im bevölkerungsreichsten Bundeslandkönne man „kaum zum Vorbild für eine solide Finanzpolitik“nehmen.
Auch Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU)kritisierte in Zeitungsinterviews den geplanten Schuldenkurs als„unverantwortlich“. Kraft hatte angekündigt, NRW werde insgesamtdieses Jahr über 9 Milliarden Euro an Krediten aufnehmen - rund 2,6Milliarden Euro mehr als von der schwarz-gelben Vorgängerregierunggeplant.Eine erste Kraftprobe zwischen Minderheitsregierung und Linken im NRW-Landtag hatte es bereits bei einem von Rot-Grün eingebrachten Antrag zur Abschaffung der Studiengebühren gegeben.
Eine direkte Abstimmung vermieden die Koalitionsfraktionen, nachdem die Linke wegen der ihrer Ansicht zu langen Fristen Ablehnung signalisiert hatte. „SPD und Grüne haben eingesehen, dass wir erst noch in den Ausschüssen intensiv miteinander sprechen müssen“, sagte Zimmermann dazu. Die Linke gehe davon aus, „dass SPD und Grüne von jetzt an frühzeitiger mit uns reden werden“.
Gysi stellte Bedingungen für eine Tolerierung von Rot-Grün. DerZeitschrift „Super Illu“ sagte er, dies setze voraus, dass Rot-Grün„alle Gesetzesvorhaben“ mit der Linken abspreche. „Wir müssten dieSicherheit bekommen, dass gegen unseren Willen im Landtag nichtsWesentliches mehr beschlossen wird.“ SPD und Grüne müssten „im Laufedes Herbstes auf uns zukommen, sich mit uns inhaltlich einigen, dienötigen Regularien und Gremien vereinbaren - und dies dannschließlich auch öffentlich erklären“.
Der Generalsekretär der NRW-SPD, Michael Groschek, entgegnete im„Express“ (Sonntag), Rot-Grün werde keine „Koalition derErpressbaren“. Grünen-Bundestagsfraktionschef Jürgen Trittin schlossam Sonntag im Deutschlandfunk ein „Tolerierungsabkommen“ mit derLinken in NRW aus. Es gebe keinen festen Partner, Rot-Grün mache „einAngebot an alle Parteien“. FPD-Landtagsfraktionschef Gerhard Papkesagte: „Das öffentliche Säbelrasseln der Linkspartei soll davonablenken, dass sie sich im Landtag bisher eher wie ein Schoßhündchenvon SPD und Grünen verhalten hat.“
Außerdem wolle Rot-Grün im Rahmen der Gemeindefinanzreform eine„Kulturpauschale“ prüfen, sagte Schäfer. „Die Zweckbindung kommunalerAusgaben für die Kultur ist eine sehr erstrebenswerte Sache.“Unter schwarz-gelben Vorgängerregierung war der Kulturförderetatauf rund 140 Millionen Euro im Haushalt 2010 verdoppelt worden. Rot-Grün hat den bisher in der Staatskanzlei angesiedelten Bereich Kulturdem Ministerium für Jugend, Familie, Kinder und Sport zugeschlagen.Die Kultur werde aber kein fünftes Rad am Wagen sein, sagte Schäfer.Sie räume der Kultur einen „ganz zentralen Stellenwert“ ein.
Die 62-Jährige Lütkes, die Grünen-Chefin in Köln ist,löst Amtsinhaber Jürgen Büssow (SPD) ab. Für die Grünen sei es „einCoup“, dass sie Lütkes für den Posten hätten gewinnen können, sagteLehmann der Deutschen Presse-Agentur dpa.Lütkes, die in Schleswig-Holstein Justizministerin war, sei ein„politisches Schwergewicht“ mit langjähriger Erfahrung in der Leitungvon Behörden.
Ihre Berufung sei auch deshalb wichtig, weil in derRegion in den nächsten Jahren wichtige Entscheidungen anstünden, etwazur umstrittenen Kohlenmonoxid-Pipeline zwischen Dormagen undUerdingen sowie zum Kiesabbau am Niederrhein. Lütkes wolle zudem dennotleidenden Kommunen neue Handlungsspielräume eröffnen.
Kommende Woche sollen nach dpa-Informationen auch die Spitzen derBezirksregierungen in Köln und Arnsberg neu besetzt werden. AlsRegierungspräsidentin in Köln ist die Duisburger SPD-Landtagsabgeordnete und Finanzexpertin Gisela Walsken vorgesehen, dieHans Peter Lindlar ablösen soll. Der CDU-Politiker hatte Anfang desJahres mit dem Veto seiner Aufsichtsbehörde verhindert, dass einGrüner neuer Kämmerer der Stadt Köln wird.
Neuer Regierungspräsident in Arnsberg soll der Dortmunder SPD-Landtagsabgeordnete Gerd Bollermann werden. Der 61-Jährige löstHelmut Diegel ab. Auf ihren Posten bleiben voraussichtlich dieRegierungspräsidenten von Münster und Detmold, Peter Paziorek (CDU)und die FDP-Politikerin Marianne Thomann-Stahl.