NRW-Schulpolitik: Gemeinschaftsschule bleibt Zankapfel
Der Streit um die Gemeinschaftsschule in Nordrhein-Westfalen geht weiter. Die CDU signalisiert zwar Gesprächsbereitschaft, eine Einigung mit Rot-Grün ist aber noch nicht in Sicht.
Düsseldorf (dpa). Schüler, Lehrer und Eltern in Nordrhein-Westfalen müssen weiter auf einen „Schulfrieden“ warten. Im Landtag zeichnete sich am Mittwoch in der Bildungspolitik noch kein Konsens ab. Die Gemeinschaftsschule bleibt Zankapfel zwischen den Parteien.
„Rot-Grün hat den Schulversuch Gemeinschaftsschule voll vor die Wand gefahren“, kritisierte Bildungspolitiker Klaus Kaiser von der CDU-Fraktion. Kaiser signalisierte beim Thema Gemeinschaftschule Gesprächsbereitschaft seiner Partei. Es werde aber kein „Ja und Amen“ von der CDU zu dieser neuen Schulform geben, die Rot-Grün als Prestigeprojekt einseitig vorantreibe. Die CDU sei unter bestimmten Bedingungen zu Gesprächen „auf Augenhöhe“ bereit.
Noch am vergangenen Freitag hatte sich die CDU einem NRW-Schulgipfel verweigert. Der orientierungslosen CDU fehle ein „bildungspolitisches Navi“, kritisierte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Renate Hendricks. Dass nun doch Gesprächsbereitschaft signalisiert werde, liege wohl auch an der aktuellen Kehrtwende der Bundes-CDU.
Der CDU-Bundesvorstand hatte sich für eine Abkehr von der Hauptschule und für die Einführung eines Zwei-Wege-Modells ausgesprochen. Angesichts sinkender Schülerzahlen soll neben dem Gymnasium nur noch eine Oberschule aus vereinter Real- und Hauptschule bleiben.
NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) rief dazu auf, „in einem breiten Konsens zu einer dauerhaft tragfähigen Schulstruktur“ zu kommen, so wie es die Bildungskonferenz von der Politik angemahnt habe.
Im vergangenen Herbst hatten Löhrmann und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) diese Konferenz mit Verbänden und Institutionen sowie allen Landtagsparteien einberufen, um Empfehlungen für eine gemeinsame Schulpolitik zu erarbeiten. Eine zentrale Forderung daraus ist der - weitgehend unumstrittene - Ausbau der Ganztagsschule.
Strittig war - und bleibt - aber die angestrebte Gemeinschaftsschule. Trotz mehrerer Rückschläge soll das Modellprojekt der Landesregierung schon zum kommenden Schuljahr in zwölf Einrichtungen an den Start gehen. Um die Gemeinschaftsschule regulär einführen zu können, muss das Schulgesetz geändert werden. Dazu braucht die einzige Minderheitsregierung in Deutschland Unterstützung von wenigstens einer Oppositionsfraktion. Die Linke signalisierte diese am Mittwoch im Landtag.
Die FDP forderte, Löhrmann solle nach ihrer Schlappe vor Gericht den „rechtswidrigen Schulversuch“ Gemeinschaftsschule abblasen. Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte eine geplante Gemeinschaftsschule im sauerländischen Finnentrop gestoppt und für die neue Schulform ein ordentliches Schulgesetz gefordert. Die FDP verschließe sich keiner Reform, lehne aber ein längeres gemeinsames Lernen nach gymnasialen Standards als „Einheitsschule“ ab, betonte die bildungspolitische Sprecherin Ingrid Pieper-von Heiden.
Die Liberalen sehen vor allem das Gymnasium in Gefahr. Das rot-grüne Modell der Gemeinschaftsschule strebt in der Doppeljahrgangsstufe 5/6 einen schulformübergreifenden Unterricht für alle Kinder vor allem nach gymnasialen Standards an. Frühestens ab 7. Klasse kann - muss aber nicht - nach Schulformen differenziert werden.
Ziele sind mehr Bildungsgerechtigkeit und höhere Leistungen, sagte Löhrmann: „Wir müssen die soziale Spaltung in unserem Bildungssystem überwinden.“