Online-Razzia auf dem richterlichen Prüfstand
Analyse: Das erwartete Karlsruher Urteil zu einem NRW-Gesetz gilt als Richtschnur für die Bundesregelung.
Karlsruhe. Wieder einmal richten sich die Blicke der Politik gespannt auf Karlsruhe: Am Bundesverfassungsgericht wird ab heute über die zwischen Union und SPD heiß umstrittene heimliche Durchsuchung von privaten Computern verhandelt. Auf dem Prüfstand der Richter stehen allerdings nicht die Pläne von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) im Kampf gegen den internationalen Terror, die bislang nur im Entwurf vorliegen. Vielmehr gilt die Entscheidung über ein nordrhein-westfälisches Gesetz als Testlauf für eine mögliche bundesgesetzliche Regelung.
Das Verfassungsschutzgesetz NRW gestattet als bislang bundesweit einzige Regelung, durch das Einschleusen von Spionageprogrammen heimlich auf private Computer zuzugreifen. Dagegen haben mehrere Personen Verfassungsbeschwerde eingelegt, darunter der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum - pikanterweise ein Parteifreund des für den Verfassungsschutz zuständigen NRW-Innenministers Ingo Wolf (FDP).
Die Gegner der Regelung führen an, dass die Online-Durchsuchung gegen das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung verstoße. Baum spricht von einem "drastischen Eingriff in die Freiheit der Bürger", da der Staat sich mit einem einzigen Zugriff ein vollständiges Bild über die Neigungen, Vorlieben und Gewohnheiten der Ausgespähten bilden könne. Kritik kommt auch vom ehemaligen NRW-Innenminister Burkhard Hirsch (FDP), der den Klägern gute Chancen einräumt. Das Gesetz sei "derartig leichtfertig formuliert, dass es kaum Bestand haben wird".
Beobachter rechnen allerdings damit, dass der Erste Senat die Festplatte nicht zum Tabu erklären wird. Dennoch könne eine Situation wie beim so genannten großen Lauschangriff eintreten: Karlsruhe hatte das Verwanzen von Wohnungen 2004 zwar grundsätzlich gebilligt, aber mit derart strikten Einschränkungen versehen, dass das Instrument kaum angewendet wird.
Gesetzgebung Die so genannte heimliche Online-Durchsuchung von privaten Computern wurde durch eine Änderung des Verfassungsschutzgesetzes NRW möglich. Der Düsseldorfer Landtag verabschiedete die Novelle Ende Dezember vergangenen Jahres mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen von CDU und FDP.
Inhalt Laut Düsseldorfer Innenministerium darf der Verfassungsschutz nach der Regelung die Nutzung von Internetseiten überwachen sowie die Kommunikation beispielsweise per E-Mail und im Chat kontrollieren. Zudem dürfen die Ermittler auf abgespeicherte Dateien des Internets wie Bombenbauanleitungen zugreifen. Nicht zulässig ist dagegen unter anderem der Zugriff auf Daten, die keinen Bezug zum Internet haben oder die aus der Überwachung durch Web-Cams stammen.