Urteil Polizeikontrolle wegen der Hautfarbe? Passkontrolle in Bochum war rechtswidrig

Das Oberverwaltungsgericht Münster gibt einem dunkelhäutigen Mann Recht, der im Bochumer Hauptbahnhof angesprochen wurde und sich als Opfer von „Racial Profiling“ fühlte.

Ein Polizist überprüft Personalien. Foto: Felix Kästle/Archiv

Foto: Felix Kästle

Münster/Bochum. Der Vorwurf wiegt schwer: Gibt es ein „Racial Profiling“ bei der Polizei: Orientieren sich die Ordnungshüter bei der Frage, welche Personen sie kontrollieren, an der Hautfarbe? Um eben das zu klären, zog ein Mann, der genau dies der Bundespolizei vorwarf, vors Oberverwaltungsgericht Münster. Und bekam dort am Dienstag Recht.

Der Vorfall liegt fast fünf Jahre zurück. Der damals 40-jährige dunkelhäutige Mann aus Witten, mit nigerianischen Vorfahren, aber deutscher Nationalität und im Ruhrebiet aufgewachsen, wird gegen 22 Uhr von der Polizei im Bochumer Hauptbahnhof angesprochen. Er solle sich ausweisen. Dagegen klagt er später: die Gerichte sollen feststellen, dass die Identitätsfeststellung rechtswidrig gewesen sei.

Sein Vorwurf: Die Beamten seien in dem belebten Bahnhof zielgerichtet — offensichtlich allein wegen seiner Hautfarbe — auf ihn zugegangen und hätten ihn vor den Augen etlicher Reisender und Wartender mit den Worten „Personenkontrolle, Ihren Ausweis bitte“ angesprochen. Dies habe ihm den Makel des scheinbar gefährlichen Störers angeheftet. Weil zu befürchten sei, dass dies wieder passiere, wollte er die Rechtswidrigkeit der Kontrolle festgestellt wissen.

In erster Gerichtsinstanz vor dem Verwaltungsgericht Köln war er noch gescheitert. Die Richter folgten der Argumentation der Polizei. Die hatte auf die allgemeinen Lage am Hauptbahnhof Bochum verwiesen. Es sei eine Zunahme von Taschen- und Handgepäckdiebstählen festzustellen. Diese würden meist von männlichen Tätern begangen, die aus Nordafrika stammten. Personen mit dieser Herkunft agierten im Bereich des Bahnhofs ferner als Dealer. Nach dem Lagebild der Bundespolizei werde Bochum unter anderem durch die zunehmenden Migrationsbewegungen aus dem afrikanischen Raum genutzt und sei zudem durch die salafistische Szene geprägt, die den Bahnhof für Reisebewegungen nutze.

Das Verhalten des Mannes habe - vor diesem Hintergrund - einen ausreichenden Gefahrenverdacht für eine Identitätsfeststellung begründet, urteilten die Richter in erster Instanz. Er habe sich, nachdem er die Bahnhofshalle betreten und die Polizisten bemerkt habe, in dem überdachten Bahnhof die Kapuze seines Windbreakers über seinen Kopf gezogen. Als er dann an ihnen vorbei gegangen sei, habe er die Kapuze auf der ihnen zugewandten Seite ins Gesicht gezogen und auf den Boden geschaut.

Zwar betonte auch schon das Verwaltungsgericht Köln in seinem Urteil, dass die Hautfarbe des Betroffenen allein nicht ausschlaggebendes Kriterium für eine Ausweiskontrolle sein dürfe. Wenn es aber Erkenntnisse gebe, dass Delikte von Personen aus bestimmten Herkunftsländern bzw. von Personen mit einem bestimmten äußeren Erscheinungsbild begangen werden, sei es nicht zu beanstanden, wenn derartige äußere Merkmale, die diesem Täterkreis zuzuordnen sind, (Hautfarbe, Alter, Geschlecht und auch Kleidung) bei der Entscheidung mit berücksichtigt werden.

Dem Oberverwaltungsgericht reichte diese Begründung am Dienstag aber nicht aus. Die Münsteraner Richter urteilten, die Polizeibeamten hätten die Identitätsfeststellung auch wegen der Hautfarbe des Klägers durchgeführt. Eine vom Gleichbehandlungsgrundsatz grundsätzlich verbotene Anknüpfung an ein solches Merkmal könne nur bei Vorliegen hinreichend konkreter Anhaltspunkte gerechtfertigt werden. Die Polizei müsse hierfür einzelfallbezogen vortragen, dass Personen, die ein solches Merkmal aufwiesen, an der entsprechenden Örtlichkeit überproportional häufig strafrechtlich in Erscheinung träten. Nur dann sei die Anknüpfung an dieses Merkmal zu Zwecken der effektiven Kriminalitätsbekämpfung möglich.

Dafür hätten die von der Polizei vorgetragenen Begründungen aber nicht ausgereicht. Nach den von der Bundespolizei vorgelegten Zahlen gingen viele Straftaten am Bochumer Hauptbahnhof auf das Konto von Deutschen. Die bloße Behauptung, dass zum Großteil Nordafrikaner für Eigentumsdelikte verantwortlich seien, reiche da nicht aus. Und da der Kontrollierte den Bahnhof für die Polizisten erkennbar von außen betreten habe, sei auch klar gewesen, dass es nicht um eine illegale Einreise gegangen sei, was eine Kontrolle wegen der Hautfarbe möglicherweise gerechtfertigt hätte. Dem Kläger wurde daher bestätigt, dass die Kontrolle rechtswidrig war.

Für die Polizei dürfte der Umgang mit dem Urteil nicht eben einfach sein. Das zeigt eine Stellungnahme der Gewerkschaft der Polizei zu dem Richterspruch. Zu Zwecken der Kriminalitätsbewältigung und der Prävention müsse die Bundespolizei Personenkontrollen an Kriminalitätsschwerpunkten wie Bahnhöfen durchführen, sagte der GdP-Vizebundesvorsitzende Jörg Radek. „Ich vertraue den Kollegen, dass sie hochprofessionell in solche Situationen hineingehen und sich adressatengerecht und angemessen verhalten.“ Zu ihren Aufgaben gehöre es auch festzustellen, ob sich jemand unerlaubt im Land aufhalte. Der Gesetzgeber müsse sich womöglich fragen, ob er die Rechtsvorschriften so ändere oder präzisiere, dass die Bundespolizei solche lagebildabhängigen Kontrollen „rechtssicher“ durchführen könne, sagte Radek.