Raubritter im weißen Kittel?
Ein ehemaliger Chefarzt soll in der Wegberger Klinik den Tod von sieben Menschen verursacht haben. Ab Donnerstag steht er vor Gericht.
Mönchengladbach. Es gilt als einer der größten Krankenhaus-Skandale in der Geschichte der Bundesrepublik: Mindestens sieben Menschen sollen in der Wegberger St.-Antonius-Klinik durch fehlerhafte ärztliche Behandlung ums Leben gekommen sein. Darüber hinaus soll es in mehr als 60Fällen zu Körperverletzungen bei Patienten gekommen sein - letztlich aus Geldgier.
Im Mittelpunkt der Vorwürfe steht der ehemalige Klinik-Besitzer und Chefarzt Arnold P. (52), der sich von Donnerstag an mit fünf weiteren Ärzten der Klinik vor dem Landgericht Mönchengladbach verantworten muss.
Gegen drei Ärzte wurde das Verfahren inzwischen gegen Zahlung einer Geldauflage von jeweils rund 2.500 Euro eingestellt. Es handele sich dabei um "jüngere Assistenzärzte, die in der Klinik nichts zu sagen hatten" und denen nur jeweils eine geringere Körperverletzung zur Last gelegt worden war, heißt es in Justizkreisen.
Der Hauptangeklagte Arnold P. hatte das St. Antonius-Krankenhaus im Januar 2006 von der Gemeinde Wegberg gekauft. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft soll der Chefarzt allen Abteilungen der Klinik strenge Kostenauflagen gemacht haben.
Dies galt insbesondere für die Verwendung von Blutkonserven und teuren Medikamenten. Außerdem soll er in vielen Fällen angeordnet haben, dass zur Wund-Desinfektion statt einer sterilen Lösung frisch gepresster Zitronensaft verwendet wurde, weil dies preiswerter war.
Viel schwerwiegender ist jedoch, dass der Chirurg zahlreiche Operationen durchgeführt haben soll, für die keine medizinische Notwendigkeit bestand. Insbesondere soll es zum Teil zu völlig überflüssigen Eingriffen am Darm sowie zu unnötigen Entfernungen von Gallenblasen, Nieren und Brustfellen gekommen sein.
Zwar steht zu vermuten, dass diese unnötigen Operationen und Körperteil-Entfernungen vor allem deshalb vorgenommen wurden, um die von den Krankenkassen zu erstattenden Rechnungen in die Höhe zu treiben und somit den Profit der Klinik zu mehren.
Doch im Prozess wird diese mögliche Motivation keine Rolle spielen: Um das Verfahren nicht zu verlängern, hat die Staatsanwaltschaft den möglichen Tatvorwurf des Abrechnungsbetrugs ausgeklammert. Hintergrund: Ein solcher möglicher Abrechnungsbetrug wäre den Angeklagten nicht nur sehr schwer nachzuweisen.
Auch die mögliche daraus zu erwartende Strafe wäre deutlich geringer, als bei den jetzt erhobenen Anklagen wegen fahrlässiger Tötung beziehungsweise Körperverletzung mit Todesfolge. Dab/ei droht den Angeklagten eine Höchststrafe von 15 Jahren.
Aber auch ohne den Vorwurf des Abrechnungsbetrugs wird das Verfahren, für das Vorsitzender Richter Lothar Beckers zunächst 20 Verhandlungstage anberaumt hat, voraussichtlich eine langwierige Schlacht der Gutachter und Gegengutachter werden.
So hat die Verteidigung von Arnold P. ein Gutachten eines Schweizer Professors eingeholt, wonach steriler Zitronensaft durchaus als Desinfektionsmittel taugen kann. Das Problem dabei: Der in Wegberg benutzte Zitronensaft war nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft mutmaßlich gar nicht steril gewonnen, sondern in einem Nebenraum schnell von Hand gepresst worden.
Dazu wird dann der Gutachter der Staatsanwaltschaft, Professor Sebastian Lemmen, Leiter des Zentralbereichs für Krankenhaushygiene und Infektiologie am Universitätsklinikum Aachen, etwas aussagen.
Ein Urteil ist nicht vor März 2010 zu erwarten.