Reißt Kutschaty schnell alle SPD-Macht an sich?

Der neue SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty würde offenbar Alternativen zu Sebastian Hartmann bei der Wahl zum Landesparteichef im Juni in Bochum begrüßen.

Kutschaty kommt am Dienstag mit einem Blumenstrauß aus dem Fraktionssaal.

Foto: Federico Gambarini

Düsseldorf. Auch Dietmar Bell war hin- und hergerissen. Der Wuppertaler SPD-Abgeordnete wusste bis zur Abstimmung am Dienstagmorgen nicht, ob er für Thomas Kutschaty oder Marc Herter stimmen sollte. Wie er sich entschieden hat, ist bei geheimer Wahl nicht verbürgt. Aber dass der 69-köpfigen SPD-Fraktion die Geschichten über Proporzspielchen und Intrigen auf die Nerven gegangen sind, das ließ Bell dann doch wissen: „Das war in der Hauptsache eine Medieninszenierung. Die Fraktion hat da schon ihre eigene Haltung“, sagte Bell Minuten, bevor der neue SPD-Fraktionschef Kutschaty mit Blumenstraß den Fraktionssaal verließ.

Kutschaty grinste, er war nach „angespannter Sitzung“ gut gelaunt, sich der knappen Entscheidung von 35:31-Stimmen aber auch bewusst. Jetzt gehörte dem Ex-Justizminister (2010 bis 2017) aus Essen die Bühne, der sich mit seiner hartnäckigen Anti-Groko-Haltung vor wenigen Monaten von der Zuneigung der Strippenzieher Mike Groschek (SPD-Landeschef) und Norbert Römer (SPD-Fraktionschef) verabschiedete — wenn er sie denn überhaupt je genossen hatte.

Die Zeit, in der sich die Partei mit Personalien beschäftigt, soll nun vorbei sein. Die „SPD in NRW“ sei wieder zurück, „wir werden Attacke machen, deutlich kann ich auch“, sagte Kutschaty, weil mancher in der Fraktion nicht überzeugt ist, ob der kantige 49-Jährige nicht eher Mann der feinen Ironie, aber eben kein Angreifer ist. E

iner der Gratulanten war ein alter Justizressort-Mitarbeiter Kutschatys. Ob der ein guter Fraktionschef werde? „Da bin ich sicher. In seinem alten Amt musste er sich zurücknehmen. Eigentlich ist er viel lockerer und hat starke Nerven.“ Das sei eine gute Mischung für den Oppositionsführer. Kutschaty ließ aber auch wenig Zweifel daran, dass er seine so gewonnene Macht durchaus auszubauen gedenkt.

Ob auf dem Landesparteitag am 23. Juni in Bochum allein der von einer Findungskommission berufene mittelrheinische Bundespolitiker Sebastian Hartmann als Landesparteichef zur Wahl steht, darf bezweifelt werden. Der Neue rief zu Alternativen auf, wenngleich es auch „mit Sebastian Hartmann schon ginge“. Ob er gleich selbst kandidiere? „Ich habe mich um das Amt des Fraktionsvorsitzenden beworben. Es ist aber nicht schlecht, wenn wir verschiedene Kandidaturen für ein Amt haben. Und wenn dann nach Eignung ausgewählt wird.“ Und auf Nachfrage, ob er selbst eine Kandidatur im Juni ausschließe, sagte er: „Ich schließe nie etwas aus. Man hat ja aus der jüngsten Vergangenheit gelernt, dass man da nie zu früh sein sollte.“

Möglich, dass es für das Amt des Parteivorsitzenden bald auch Kandidaten aus der starken SPD-Region Westliches Westfalen (WW) geben wird. Bei nun zwei Niederrheinern in der Fraktionsführung (Kutschaty und Sarah Philipp als Parlamentarische Geschäftsführerin) ist WW unterrepräsentiert, das Tableau könnte sich noch neu ordnen.

Klar ist: Kutschaty hält es wohl für sinnvoll, die Ämter Fraktions- und Parteichef womöglich zu einem späteren Zeitpunkt in einer Person zu vereinen. Und er traut sich „natürlich zu“, zur Landtagswahl 2022 Herausforderer von Armin Laschet zu werden. Das werde aber vermutlich ein „Landesparteitag 2021 entscheiden“. Bis dahin wolle man Alternativen entwickeln und Schwerpunkte herausarbeiten. Dann auch mit Herter, dem Kutschaty einen „fairen Wettbewerb“ attestierte. Herter bleibe „wichtiger Abgeordneter“ in der Fraktion.